Für 72 Prozent der deutschen Stadtwerke spielte die Dekarbonisierung bereits im vergangenen Jahr eine entscheidende Rolle. Durch den Krieg in der Ukraine wird der Ausstieg aus fossilen Energiequellen jetzt noch dringlicher. Der Transformationsdruck auf die ureigensten Aufgaben der Stadtwerke wie die Energie-, Wärme- und Mobilitätsversorgung steigt. Rund zwei Drittel (64 Prozent) der Stadtwerke haben bereits eine eigene Dekarbonisierungsstrategie, jedoch sind auch die kommunalen Gesellschafter gefragt, einen strategischen Rahmen für die Reduzierung von Kohlenstoffemissionen vorzugeben. Das ist ein Ergebnis der Stadtwerkestudie 2022, für die EY und der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) deutschlandweit 100 Stadtwerke und regionale Energieversorger befragt haben und die in diesem Jahr zum 20. Mal erscheint.
„Damit Stadtwerke ihre Schlüsselrolle für die nachhaltige Transformation erfolgreich ausfüllen können, benötigen sie dringend einen strategischen Rahmen. Dabei stehen auch die kommunalen Gesellschafter in der Pflicht“, sagt Andreas Siebel, Partner bei EY und Sektorleiter Energy & Resources. „Stadtwerke spielen bei der Energiewende eine zentrale Rolle als kommunale Dekarbonisierungsdienstleister und -wegbereiter. Sie sind es, die den Klimaschutz vor Ort umsetzen. Der Krieg in der Ukraine erhöht den Druck auf die Stadtwerke weiter, die traditionelle Daseinsvorsorge mit der Ausrichtung auf Klimaschutz zu vereinen. Dabei werden Kooperationen immer wichtiger.
Wichtig ist, dass die kommunalen Eigner ihren Stadtwerken auch den notwendigen finanziellen Spielraum lassen, um in die Zukunft zu investieren. Das darf nicht von der Kassenlage der Kommunen abhängen. Die Stadtwerke können den Transformationsprozess nur gestalten, wenn sie die notwendigen Investitionen auch tätigen können“, ergänzt Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung.
Neue Kooperationen unabdingbar
Bereits heute setzen 88 Prozent der Stadtwerke auf Kooperationen. Diese finden zumeist untereinander statt. Und das soll so bleiben: So wollen 89 Prozent der Befragten auch künftig regelmäßig mit anderen Stadtwerken kooperieren; lediglich 42 Prozent gehen davon aus, dass Stadtwerke Kooperationen mit Unternehmen aus anderen Branchen eingehen werden. Die häufigsten Kooperationsfelder liegen im Bereich der Energiedienstleistungen und Shared Services (je 59 Prozent der Studienteilnehmer).
„Bestehende Kooperationen unter Stadtwerken sind oftmals historisch gewachsen und bestehen insbesondere seit der Liberalisierung der Energiemärkte 1998, etwa in Form eines gemeinsamen Einkaufs“, sagt Metin Fidan, ebenfalls Autor der Stadtwerkestudie 2022, Partner bei EY und Leiter Green Transformation & Mining and Metals in der Region Europe West. „Dabei geht es vor allem um Kostenersparnisse und Effizienz. Für die aktuellen Herausforderungen wie die digitale und nachhaltige Transformation braucht es aber auch neue Formen der Kooperation, die auf Innovation zielen.“
Aufgabenliste wird länger – finanzielle Situation stagniert
Am stärksten beschäftigen sich Stadtwerke heute mit der Digitalisierung generell (89 Prozent) und der Daten- und Cybersicherheit im Speziellen. Weitere wichtige Aufgabenfelder sind die Optimierung interner Prozesse (82 Prozent), die Gewinnung qualifizierter Mitarbeiter (82 Prozent), die Dekarbonisierung allgemein (67 Prozent) sowie speziell bei der Eigenerzeugung (72 Prozent). „Während die Aufgabenliste der kommunalen Versorger immer länger und dringlicher wird und damit immense Investitionsbedarfe verbunden sind, droht die finanzielle Situation sie zunehmend zu beschränken“, sagt Andreas Siebel. Die befragten Stadtwerke schätzten den geschäftlichen Erfolg ihres jeweiligen Unternehmens im Jahr 2021 – die Befragung fand noch vor dem Ukraine-Krieg statt – mehrheitlich als sehr gut ein. Jedoch sank die Umsatzrentabilität der befragten Versorger bereits seit 2017 im Schnitt um drei Prozent jährlich.
Aktives Finanzmanagement wichtiger denn je
Vor diesem Hintergrund wird das aktive Management der Finanz- und Liquiditätssituation für Stadtwerke immer wichtiger. Zu deren Verbesserung nutzt gut die Hälfte der Befragten Kosten-Benchmarks, jeweils 48 Prozent bündeln Aufgaben in Shared-Service-Centern und nutzen Dienstleister zur Kostensenkung. Kreditrahmenverträge wurden von 47 Prozent der befragten Unternehmen neu verhandelt, aber nur 27 Prozent nutzen hierfür Bankenkonsortien. Die Finanzierungsfähigkeit scheint bei 87 Prozent der Studienteilnehmer so solide, dass sie ohne Kommunalbürgschaften ihres Gesellschafters operieren können. Auch hier können neue Wege zusätzliche Chancen bieten: Frisches Kapital kann beispielsweise auch von privaten Investoren wie Versicherern, Altersvorsorge-Anbietern und Pensionskassen deutscher DAX-Konzerne kommen, die nach Anlagemöglichkeiten in Infrastrukturprojekten suchen.
Die Studie finden Sie hier.
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