- Befragung zeigt: Stadtwerke sind bereit zu investieren
- Ausbau Erneuerbarer Energien, Wärmeplanung und Fachkräftemangel stehen im Fokus
- Nachholbedarf bei Dekarbonisierungsstrategien
Stadtwerke haben die Energiekrise 2022 sehr gut gemeistert und sich in einem enorm schwierigen Marktumfeld behauptet. Das überwiegend positive Fazit zum herausfordernden Jahr 2022 darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass fast die Hälfte der Stadtwerke (48 Prozent) im vergangenen Jahr ein niedrigeres Ergebnis erwirtschaftete als 2021. Dies prägt auch den Blick der Stadtwerke auf das laufende Jahr: Lediglich 44 Prozent schätzen die Aussichten als gut oder sehr gut ein – der niedrigste Wert seit der Finanzkrise 2008/2009. Das zeigen die Ergebnisse der Stadtwerkestudie 2023, für die EY und der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) deutschlandweit 100 Stadtwerke und regionale Energieversorger befragt haben.
„Langfristige Beschaffungsstrategien, der Rückgang von Gasmengen, die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung sowie der hohe Investitionsbedarf zur Umsetzung der Energie-, Mobilitäts- und Wärmewende erhöhen den Transformationsdruck. Für Stadtwerke gilt daher mehr denn je, strategische Antworten auf diese Fragen zu finden und aus dem Krisenmodus herauszukommen“, sagt Andreas Siebel, Partner und Sektorleiter Energy & Resources bei EY.
„Die Erfahrungen aus der Energiekrise führen insbesondere in den Bereichen Erneuerbare Energien und Wärmeversorgung zu einer Transformationsbeschleunigung. Klar ist: Stadtwerke sind bereit, weiterhin in Energiewende-Technologien zu investieren und die Versorgungssicherheit zu stärken. Entsprechend passen sie ihre Investitionsstrategien an und schauen auch, welche neuen Geschäftsfelder ausgebaut werden können“, sagt Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung.
Top-Trend: Ausbau Erneuerbarer Energien
Als ihre aktuell wichtigsten Themen nennen die befragten Stadtwerke den Ausbau der Erneuerbaren Energien (89 Prozent) und die Umsetzung der Wärmewende (88 Prozent). Der zunehmende Fachkräftemangel macht jedoch auch vor den Energieversorgern nicht halt: Auf dem dritten Platz landet die Gewinnung von neuen Mitarbeitenden (86 Prozent). Die Digitalisierung – 2022 noch an erster Stelle – hat gegenüber dem Vorjahr deutlich an Priorität verloren und liegt in der aktuellen Studie auf dem fünften Rang (74 Prozent). Das Bewusstsein für die IT-Sicherheit ist mit 85 Prozent annähernd gleich hoch wie im Vorjahr geblieben.
„Viele Stadtwerke planen, mehr in Erneuerbare Energien zu investieren. Zudem stehen sie bereit, die Wärmewende vor Ort voranzutreiben. Stadtwerke kennen die Infrastrukturen in ihrer Region wie kein Zweiter und sind daher unverzichtbarer Akteur für die kommunale Wärmeplanung. Diese ermöglicht den Stadtwerken auch zielgerichtete Investitionen in die klimaneutrale Wärmeversorgung von morgen. Grundsätzlich werden wir einen Mix an erneuerbaren Wärmetechnologien brauchen. Es ist richtig, dass Wärmepumpen und Fernwärme im Zentrum der Wärmewende stehen. Um den Wohnungsbestand zu dekarbonisieren, sind aber auch gasbasierte Systeme eine Option - künftig betrieben mit erneuerbaren und dekarbonisierten Gasen“, sagt Andreae.
Nachhaltige Energieversorgung eröffnet Chancen für neue Geschäftsmodelle
Die Wärmewende bietet verschiedene Optionen für teils neue Geschäftsmodelle. „Stadtwerke, die heute bereits die Sektoren Strom, Gas und Wärme übergreifend betrachten, haben gute Voraussetzungen, Geschäftsfelder rund um die Wärme zu erschließen. Ganzheitliche Lösungen für eine nachhaltige Energieversorgung werden daher zum zentralen Teil der Unternehmensstrategie“, sagt Metin Fidan, Partner und Leiter Green Transformation & Mining and Metals in der Region Europe West bei EY und ebenfalls Autor der Studie. Die Bedeutung von Commodities – also beispielsweise die Versorgung mit Energie oder Wasser – werde perspektivisch sinken und neue innovative Energiedienstleistungen würden entstehen.
Dekarbonisierung noch kein Kern der Geschäftspolitik
Die Herausforderungen beim Energieeinkauf sowie die Umsetzung regulatorischer Anforderungen sorgten im vergangenen Jahr dafür, dass strategische Themen nur bedingt angegangen werden konnten. Wie in der Vorjahresumfrage hat nur knapp ein Drittel (29 Prozent) der befragten Stadtwerke eine echte Dekarbonisierungsstrategie, also Transformationslösungen für den Kunden und das eigene Unternehmen. Knapp ein Fünftel (19 Prozent) hat überhaupt keine Dekarbonisierungsstrategie, und rund die Hälfte (51 Prozent) befindet sich noch in einem „strategischen Prozess“. Immerhin 36 Prozent bieten Kundenlösungen zur Dekarbonisierung an.
„Ohne Dekarbonisierungsstrategien werden Stadtwerke ihrer Rolle als Umsetzer der Energiewende vor Ort nicht gerecht können. Vor dem Hintergrund der Transformationsbeschleunigung werden Investitionen in die Infrastruktur, Wärmeplanung, Dekarbonisierungsstrategien sowie das Erschließen neuer Geschäftsmodellein der Wärmewende zu zentralen Handlungsfeldern in den kommenden Jahren“, warnt Siebel.
Die vollständige Stadtwerkestudie 2023 finden sie hier.