Das Windrad vor den Toren der Stadt, die Ladesäule am Marktplatz oder die KWK-Anlage im Industriegebiet: Bei Investitionen der Energiewirtschaft verbleibt ein großer Teil der Bruttowertschöpfung im betreffenden Bundesland oder sogar der unmittelbaren Region und sorgt dort für Wachstum und Arbeitsplätze. Das zeigt eine Analyse der Unternehmensberatung EY im Auftrag des BDEW. So sichert etwa der Bau von einem Gigawatt Windenergie an Land rund 13.500 Jobs – gut ein Drittel davon in den Standortregionen. Hinzu kommen in der Analyse nicht berücksichtigte dauerhafte Effekte durch Betrieb und Wartung der Anlagen und Steuereinnahmen.
Besonders wertvoll für die lokale Wertschöpfung auf Landkreis- und Regierungsbezirksebene sind Infrastrukturinvestitionen, beispielsweise in die Verteilnetze oder die Ladeinfrastruktur für Elektroautos. Hier verbleiben bis zu einem Fünftel der Wertschöpfung in der unmittelbaren Umgebung. Das gleiche gilt für Anlagen zur Erzeugung klimaneutraler Gase. Im Bundesland verbleiben je nach Projekt sogar bis zu zwei Drittel der entstandenen Wertschöpfung.
„Die Zahlen zeigen, Investitionen in die Energiewende lohnen sich doppelt: Sie tragen nicht nur zu einer sauberen Energiewelt und damit zum Kampf gegen den Klimawandel bei, sondern schaffen auch ganz konkret Wertschöpfung, Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum in der Region“, sagt Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung.
Fallbeispiele aus der Analyse
Für die Analyse wurde mehr als 20 repräsentative Beispiele von Investitionen der Energiewirtschaft untersucht. Der tatsächliche Wertschöpfungseffekt eines bestimmten Unternehmens mit seinem jeweils individuellen Investitionsportfolio lässt sich aus diesen Beispielprojekten zwar nicht eins zu eins ablesen, die betrachteten Beispiele, von denen drei im Folgenden dargestellt sind, geben jedoch einen Hinweis auf den durchschnittlichen Effekt auf die regionale Wirtschaft.
Beispiel 1: Ein Flächenversorger im Norden investiert 36,8 Millionen Euro in den Bau von Windenergieanlagen an Land
Bei einer Investition von 36,8 Millionen Euro durch einen Energieversorger im Norden in ein Windenergie-an-Land-Projekt (dies entspricht etwa dem Bau von acht Windrädern bzw. rund 25 MW Leistung) entsteht eine Bruttowertschöpfung von insgesamt rund 24 Millionen Euro in Deutschland. Davon verbleiben rund elf Prozent in der Region und ein Drittel im Bundesland. Allein in der Region werden 34.400 Euro Gewerbesteuer generiert, im Bundesland 125.900 Euro. Außerdem werden 337 Arbeitsplätze gesichert oder geschaffen. Davon wiederum 12 Prozent in der unmittelbaren Region und mehr als ein Drittel im Bundesland.
Beispiel 2: Ein Flächenversorger im Süden investiert 304 Millionen Euro in den Bau neuer Energienetze
Die Netzinvestition in Höhe von 304 Millionen Euro durch einen Energieversorger im Süden generiert eine Bruttowertschöpfung von etwa 275 Millionen Euro. Davon verbleiben rund 15 Prozent in der Region und 44 Prozent im Bundesland. Die Region kann rund 600.000 Euro Gewerbesteuer einnehmen, im gesamten Bundesland fallen 2,1 Millionen Euro Gewerbesteuer an. Außerdem sichert oder schafft die Investition rund 3.800 Arbeitsplätze. Hiervon rund 18 Prozent in der unmittelbaren Region und 47 Prozent im Bundesland.
Beispiel 3: Ein großes Stadtwerk in einer Industrieregion investiert 360 Millionen Euro in eine Gas-KWK-Anlage
Investiert ein großes Stadtwerk in einer Industrieregion 360 Millionen Euro in eine Kraft-Wärme-Kopplungsanlage auf Gas-Basis mit 300 MW Leistung (Gas-KWK), entsteht eine Bruttowertschöpfung von insgesamt rund 248 Millionen Euro in Deutschland. Davon verbleiben rund 10 Prozent in der Region und rund zwei Drittel im Bundesland. In der Region werden etwa 410.400 Euro Gewerbesteuer generiert, im Bundesland 3,3 Millionen Euro. Außerdem werden fast 3.500 Arbeitsplätze gesichert oder geschaffen. Davon wiederum 11 Prozent in der unmittelbaren Region und zwei Drittel im Bundesland.
Bereits im Sommer hat EY im Auftrag des BDEW den volkswirtschaftlichen Mehrwert von Konjunkturimpulse im Sinne der Energie- und Klimaziele untersucht. Die Analyse zeigte, dass die in Deutschland für das Erreichen der Klimaziele notwendigen Maßnahmen in Investitionen allein in der Energiewirtschaft in Höhe von insgesamt 320 Milliarden Euro auslösen. Das käme nicht nur der Energiewirtschaft, sondern auch zahlreichen anderen Branchen zu Gute – von der Bauwirtschaft über den Maschinenbau bis hin zum Dienstleistungssektor. Zusätzlich sichern und schaffen diese Investitionen rund 270.000 Jobs. „Die Energiewirtschaft steht bereit, in eine klimaneutrale Energiewelt von morgen zu investieren. Allzu oft werden diese Investitionen jedoch durch regulatorische Hemmnisse ausgebremst“, sagt Andreae. „Damit die Investitionsbereitschaft der Unternehmen möglichst ohne Verzug in reale Investitionen umgesetzt werden kann, muss die Politik nun dringend Hemmnisse aus dem Weg räumen. Das kann auch der Gesamtwirtschaft die aktuell so dringend benötigten konjunkturellen Impulse geben.“
Anmerkung zu Methode:
Ein großer Teil der Investitionen der Energiewirtschaft, vor allem für die Netzinfrastruktur, fällt über das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland verteilt an. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass viele Zulieferer und Dienstleister, insbesondere für spezialisierte Güter, nicht in den Regionen ihren Unternehmenssitz haben, in denen die Anlagen errichtet werden und die Wertschöpfungs- und Einkommenseffekte somit in anderen Regionen anfallen. Für eine genaue Analyse der lokalen und regionalen Effekte müsste für alle Aufträge im Zusammenhang mit der Investition bekannt sein, in welcher Region die betreffenden Zulieferer ihren Sitz haben. Solche Daten auf mikroökonomischer Ebene liegen für diese Untersuchung nicht vor.
Um dennoch Aussagen zu den lokalen Effekten treffen zu können, wurde hier auf einen exemplarischen Ansatz zurückgegriffen. Betrachtet werden dabei fünf Arten von Energieversorgern (kleine Stadtwerke Nord und Süd, Flächenversorger Nord und Süd, großes Stadtwerk in industrialisierter Region). Für jeden dieser Versorgertypen wurden bestimmte typische Investitionen identifiziert (z. B. Windpark für die Unternehmen im Norden, Elektrolyseur für das größere Stadtwerk). Anschließend wurde ein Rechenmodell eingesetzt, in dem entsprechende Beschaffungs- und Lieferstrukturen hinterlegt sind und das die entsprechenden regionalisierten Effekte für Wertschöpfung und Einkommen ermittelt.
Betrachtet wird nur die innerhalb Deutschlands generierte Bruttowertschöpfung. Darüber hinaus lösen diese Investitionsprojekte auch Wertschöpfung im europäischen und außereuropäischen Ausland aus, zum Beispiel durch im Ausland gefertigte Bauteile oder Rohstoffe für die Stahl- und Metallerzeugung.