Der deutsche Strommarkt befindet sich im Wandel: Durch den Ausbau erneuerbarer Energien und den Ausstieg aus Kern- und Kohlekraftwerken wird die sichere Stromversorgung zunehmend herausfordernder. Da erneuerbare Energien wetterabhängig sind und nicht jederzeit zuverlässig Strom liefern, steigt die Notwendigkeit, gesicherte Kapazitäten vorzuhalten, um Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
Bislang basiert die Kapazitätsabsicherung im deutschen Strommarkt im Wesentlichen auf den Entscheidungen der energiewirtschaftlichen Akteure im Energiemarkt (auch: Energy-Only-Markt, EOM). Aufgrund grundlegend veränderter Rahmenbedingungen besteht jedoch inzwischen weitgehend Einigkeit darüber, dass ein umfassender Kapazitätsmechanismus mit Kapazitätszahlungen für die Vorhaltung steuerbarer Kapazitäten und Flexibilitäten benötigt wird, um einen verlässlichen Investitionsrahmen zu schaffen und eine sichere Stromversorgung zu gewährleisten.
Die „alte“ Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP (Ampel-Regierung) hatte demensprechend angekündigt, einen technologieneutralen Kapazitätsmechanismus einzuführen, der bis spätestens 2028 operativ sein sollte. Auch die zukünftige Bundesregierung wird sich des Themas zeitnah annehmen müssen, um eine sichere Strom- und Energieversorgung gewährleisten zu können. Die Vorüberlegungen des bisher von den Grünen geführten Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) werden dabei voraussichtlich eine Rolle spielen.
In dem am 2. August 2024 veröffentlichten Optionenpapier hat das BMWK die Chancen und Herausforderungen von vier Handlungsoptionen für die Einführung eines Kapazitätsmechanismus bewertet:
- Option 1: Kapazitätsabsicherungsmechanismus durch Spitzenpreishedging (KMS)
- Option 2: Dezentraler Kapazitätsmarkt (DKM)
- Option 3: Zentraler Kapazitätsmarkt (ZKM)
- Option 4: Kombinierter Kapazitätsmarkt (KKM)
Im Rahmen des Optionenpapiers hat sich das BMWK für die Einführung eines KKM ausgesprochen (Option 4). In der Bewertung des BMWK kommt der Einbindung von dezentraler Flexibilität, wie Speichern und Lastflexibilität (auch: Demand Side Response – DSR), eine wichtige Rolle zu.
Insbesondere kommt das BMWK zu dem Schluss, dass Kapazitätsmärkte mit dezentralen Lieferverpflichtungen wie der DKM und der KKM (genauer im dezentralen Segment des KKM, dem KKM-D) aufgrund des Anreizes zur Lastreduktion in Spitzenlastzeiten Flexibilitätsoptionen optimal einbinden können. Diese so genannte Selbsterfüllungsoption soll die Innovations- und Anpassungsfähigkeit erhöhen und so zu einer besonders effizienten Kapazitätsbereitstellung führen („atmender Mechanismus“).
Demgegenüber wird die These geäußert, dass sich dezentrale Flexibilität in Kapazitätsmärkten mit zentralen Kapazitätsausschreibungen (wie z.B. dem ZKM) nur unzureichend einbinden ließe. Dies wird damit begründet, dass das Ausschreibungsdesign insbesondere aufgrund einer notwendigen Präqualifikation der teilnehmenden Kapazitäten in der Regel eine zu hohe regulatorische Hürde für kleinere Flexibilitäten darstelle.
Es sei herausfordernd, die Vielzahl an flexiblen Lasten und neuer innovativer Lösungen zu klassifizieren und mit Blick auf ihren Beitrag zur Versorgungssicherheit zu präqualifizieren. Zudem bestünde die Gefahr, dass Lastflexibilitäten aus Gründen der Risikoaversität bei der Einschätzung des Beitrags zur Versorgungssicherheit stärker abgewertet („de-rated“) würden und damit in den Ausschreibungen geringere Chancen hätten. Aus diesen Gründen würden auch Innovationen erschwert.
Weder im Optionenpapier des BMWK noch im Kurzpapier zum KKM-Konzept von Consentec, r2b und dem Öko-Institut werden diese hervorgebrachten Herausforderungen von Kapazitätsmärkten mit zentralen Ausschreibungen allerdings weiter substantiiert.