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BDEW-Stellungnahme zum BMWK-Papier „Strommarktdesign der Zukunft“

Ausbau der Erneuerbaren nicht gefährden, Anreize für Flexibilität beibehalten, Vertrauen in Investionsstandort gewährleisten.

Die Chancen und insbesondere die aufkommenden Herausforderungen der zukünftigen Förderung Erneuerbarer Energien (EE) sind im Papier „Strommarkt der Zukunft“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) klar und umfassend dargestellt. Das zukünftige Förderregime muss einen markteffizienten Anlageneinsatz fördern und neue EE-Anlagen systemdienlich allokieren. Produktionsabhängige Fördermodelle scheinen dafür langfristig nur bedingt geeignet, daher unterstützt der BDEW als zukünftiges Förderdesign die Wahl eines produktionsunabhängigen Fördermodells, in Form von Option 4, vorausgesetzt, die Methodik der Referenzanlage bzw. des Referenzwerts ist möglichst einfach, praktikabel und für die Realisierung von Neuanlagen risikoarm. Zwingende Voraussetzung ist, dass die genaue Ausgestaltung mit der Branche ausgearbeitet wird, um möglichst keine neuen Probleme zu schaffen.

Die Einführung eines produktionsunabhängigen Fördermodells erscheint bis 2027 nicht adäquat realisierbar. Insofern sollten zunächst Option 1 und 2 in Kombination mit einem Marktmengenmodell verfolgt werden.

Bei der Umsetzung jeder Option muss unbedingt darauf geachtet werden, dass der notwendige Hochlauf der Erneuerbaren Energien nicht gefährdet wird, Anreize für Flexibilität nicht behindert werden und Vertrauen in den Investitionsstandort Deutschland gegeben ist.

Investitionsrahmen steuerbare Kapazitäten

Der BDEW fordert einen integrierten Kapazitätsmarkt, bei dem die Festlegung des Absicherungsniveaus der Versorgungssicherheit in staatlicher Verantwortung ist und zur Erfüllung derselben alle Technologien berücksichtigt werden. Der Staat setzt den politischen und rechtlichen Rahmen, die Unternehmen investieren und stellen die erforderlichen Kapazitäten, Speicher und (Last-)Flexibilitäten zur Verfügung.

Es ist aus unserer Sicht praktisch nicht umsetzbar und auch systematisch nicht richtig, die staatliche Verantwortung für die Festlegung des Absicherungsniveaus an die regionalen Energieversorger, an Hunderte Bilanzkreisverantwortliche, zu verteilen.

Vor diesem Hintergrund lautet die Leitfrage bei der Entscheidung für eine der vorgeschlagenen vier Optionen: Wer trägt die Verantwortung für die Festlegung des Absicherungsniveaus der Versorgungssicherheit?

Für die Versorgungssicherheit müssen sowohl der Neubau steuerbarer Kraftwerkskapazitäten, die Berücksichtigung bestehender Anlagen (einschließlich KWK), Flexibilitäten, Demand Side Management (DSM) und Speicher ihren Beitrag leisten können. In diesem integrierten Markt werden alle Technologien und Lösungen berücksichtigt, um das volkswirtschaftliche Optimum technologieoffen realisieren zu können. Eine hohe Angebotsliquidität ist unerlässliche Voraussetzung für eine kosteneffiziente Allokation. Daher ist die Offenheit des Kapazitätsmechanismus von fundamentaler Bedeutung.

Aus Sicht des BDEW stimmen alle vier vorgeschlagenen Optionen des BMWK darin überein, dass Flexibilitäten, Speicher und DSM zum Einsatz gebracht werden. Alle Akteure, ob Stadtwerke, regionale oder überregionale Energieversorger, müssen in offenen Verfahren mit ihren Angeboten wettbewerblich bieten können. Dies muss über die konkrete Ausgestaltung zentraler, wettbewerblicher Ausschreibungen geschehen, damit – neben Kraftwerksstrategie (bzw. Kraftwerkssicherungsgesetz), KWKG, Flexibilitäten und EE-Investitionsrahmen – der Kapazitätsmechanismus einen hinreichenden und breiten Mix an Technologien und Lösungen gewährleistet. Hier spielt eine differenzierte Marktsegmentierung mit unterschiedlichen Vertragslaufzeiten und ggf. separaten Preisobergrenzen eine Rolle, damit die unterschiedlichen Finanzierungshorizonte und Einsatzcharakteristika abgebildet werden. Dies ermöglicht unterschiedliche Teillösungen wie Kraftwerksneubau, Umrüstung, KWK, Flexibilitäten und Speicher. Denn natürlich ist der Neubau eines Kraftwerks anders zu bewerten als Retrofit von Bestandsanlagen oder KWK, innovative Lösungen und Speicher.

Die zusätzlichen Anforderungen des Kombinierten Kapazitätsmarktes (KKM) erzeugen eine erhebliche Steigerung der Komplexität und damit der Implementierungs- und Abwicklungsrisiken. Diesen Risiken für eine sichere Versorgung steht kein adäquater Mehrwert gegenüber.

Wir sprechen uns für einen integrierten Kapazitätsmarkt und damit für ein System aus, welches rasch und rechtssicher umgesetzt werden kann, der Energiewende dient und fairen Wettbewerb ermöglicht.

Lokale Signale

Lokale Signale können die Transformation des Energiesystems unterstützen, jedoch den notwendigen Netzausbau nicht ersetzen. Eine zügige Digitalisierung, insbesondere durch einen schnellen Smart-Meter-Rollout, ist hierbei zentrale Voraussetzung. Der BDEW begrüßt, dass die Beibehaltung der Gebotszone bei Implementierung aller Instrumente Priorität hat. Bei jeder Anpassung der Netzentgeltsystematik ist eine Prüfung der Kosten und des Nutzens sowie die Möglichkeit von Inc-Dec-Gaming notwendig. Konkrete Maßnahmen im Bereich der lokalen Signale sind notwendig, um den Netzausbau bis zum letzten Kilowatt zu vermeiden und die dezentralen Ziele der Energiewende einzubeziehen.

Nachfrageseitige Flexibilitätspotentiale

Es ist für das Gelingen der Energiewende essenziell, alle, aber insbesondere lastseitige Flexibilitätsoptionen zu heben. Die Unterscheidung zwischen markt-, system- und netzdienlicher Flexibilität muss klar definiert und priorisiert werden. Der BDEW sieht bei der Einführung von flexiblen Tarifen Klärungsbedarf und begrüßt die Ausarbeitung einer Flexibilitäts-Agenda. Es ist jedoch an der Zeit, dass diese Agenda zügig ausgearbeitet, auf Praktikabilität und Kosteneffizienz geprüft und in die Tat umgesetzt wird. Auch die verbesserte Umsetzung des Redispatch 2.0 in der Praxis sollte weiter vorangetrieben werden, möglichst in Verbindung mit den lokalen Signalen.

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