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Akzeptanz für die Energiewende:

Alles eine Frage des Geldes?

Von Abstandsregelungen bis zum "Windbürgergeld" ­ - die Politik ringt um Akzeptanz beim Ausbau der Windenergie. Hilft das? Ein Essay
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© Illu: Robert Albrecht

Ein Gastbeitrag von Prof. Dr. Gundula Hübner
 

Quer durch alle Bildungs-, Einkommens- und Altersgruppen befürwortet die Bevölkerung in Stadt und Land die Energiewende. Doch den Ausbau der Erneuerbaren Energien bewertet sie unterschiedlich: Während allgemein Solaranlagen akzeptiert und Biosgasanlagen kritisch gesehen werden, kommt es in Regionen, in ­denen Windenergieanlagen geplant sind, immer wieder zu Bedenken, teilweise gar zu Widerstand. Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es auf die Frage, unter welchen Bedingungen Erneuerbare-Energien-Anlagen vor Ort akzeptiert werden, keine einfachen Antworten.

Wichtig: Die Sicht auf die Energiewende  

In einem über das Bundesamt für Naturschutz geförderten Forschungsprojekt haben wir ein interdisziplinäres Modell entwickelt: Demnach spielen im Wesentlichen fünf Faktoren eine Rolle dabei, wie Anwohnerinnen und Anwohner Solar-, Windenergie- und Biogasanlagen in ihrer Nachbarschaft bewerten. Die stärksten sind die wirtschaftlichen Aspekte sowie die Sicht auf die Umsetzung der Energiewende. Je positiver jemand die wirtschaftlichen Auswirkungen vor Ort und die Umsetzung der Energiewende insgesamt einschätzt, desto höher ist die Akzeptanz. Ähnlich ausschlaggebend sind das Vertrauen in die am Planungsprozess beteiligten Personen sowie die Vermeidung oder Minderung negativer Wirkungen auf Natur und Menschen. Auch die soziale Norm, also die Meinung anderer, spielt eine wesentliche Rolle: Je positiver die Befragten die Meinung im Ort einschätzen, desto positiver fällt ihre eigene aus. Dabei wird die Opposition oft überschätzt, der Anteil der Befürworterinnen und Befürworter unterschätzt – was vor allem daran liegt, dass Gegnerinnen und Gegner zwar in der Minderheit sind, aber überproportional häufig aktiv werden. 

Gegner wesentlich aktiver

Die psychologische Forschung macht verständlich, warum das so ist: Menschen gewichten Verluste stärker als gleichwertige Gewinne; Verluste schmerzen mehr und ­motivieren entsprechend stark, die negativen Konsequenzen zu vermeiden. Zudem zeigen unsere Analysen, dass eine positive Einstellung gegenüber den Erneuerbaren kaum mit irgendwelchen Emotionen verbunden ist, Ablehnung dagegen mit negativen. 

Positive Emotionen sind in der Energiewende kaum auszumachen. Die mehrheitliche Akzeptanz scheint vielmehr auf sachlichen Abwägungen zu beruhen, Ablehnung dagegen auf negativen Kognitionen und Emotionen.

Da Emotionen Verhalten motivieren, erklärt auch dies die stärkere Aktivität der Gegnerinnen und Gegner. Den Befürworterinnen und Befürwortern dürfte hingegen die motivationale Kraft positiver Emotionen fehlen, sich für die Erneuerbaren einzusetzen. Das gilt übrigens ganz generell: Positive Emotionen sind in der Energiewende kaum auszumachen. Die mehrheitliche Akzeptanz scheint vielmehr auf sachlichen Abwägungen zu beruhen, Ablehnung dagegen gleichzeitig auf negativen Kognitionen und Emotionen. Es sollte daher viel stärker Ziel sein, die Energiewende künftig mit positiven Emotionen zu verknüpfen.

Abstand – ein irrelevanter Faktor

Untersucht haben wir auch den Faktor ­Ab­stand. Hier geben unsere Studien mit mehr als 1.300 Anwohnerinnen und Anwohnern an rund 20 Standorten eine klare Antwort: Zwischen Akzeptanz und Abstand lässt sich kein bedeutender Zusammenhang nach­weisen. Die Zustimmung zur Windkraft ist im Umkreis von 800 Metern zur nächsten Anlage beispielsweise ähnlich hoch wie im Umkreis von 1.800 Metern, auch steigt die Akzeptanz nicht kontinuierlich mit zunehmendem Abstand zum nächsten Windpark. Vergleichbare Ergebnisse fanden wir in einer repräsentativen Studie in den USA. Selbst die empfundene Belästigung durch Windenergieanlagen lässt sich nicht durch den Abstand erklären – vorausgesetzt, die gültigen Immissionsschutzrichtlinien werden strikt eingehalten. 

Gewinne? Die Gemeinde partizipiert

In unserem Akzeptanzmodell haben neben der Bewertung der Energiewende die wirtschaftlichen Faktoren die größte Erklärungs­kraft. Je deutlicher der wirtschaftliche Nutzen der Anlage für den Standort, desto eher wird sie positiv bewertet. Wobei es auch ­einen Zusammenhang mit der Einstellung gibt: Wer Windkraftanlagen positiv gegenübersteht, schätzt deren wirtschaftliche Auswirkungen auch positiver ein als die Gegnerinnen und Gegner. Erfahrungen in der Praxis belegen, dass grundsätzlich kritisch eingestellte Personen auch einer wirtschaftlichen Beteiligung an den Anlagen kritisch gegenüberstehen und finanzielle Beteiligungsinstrumente bisweilen als Bestechung ansehen. 

Zwischen Akzeptanz und Planungsprozess besteht ein eindeutiger Zusammenhang: Je akzeptabler der Prozess erlebt wurde, desto akzeptierter waren auch die Anlagen.

Die polemische Frage, ob Akzeptanz am Ende käuflich ist, lässt sich also nur verneinen: Profitieren Einzelne finanziell, fördert das kaum die Akzeptanz. Individuelle Prämien an Anwohnerinnen und Anwohner würden nur neue Konflikte entfachen. Hilfreicher wirkt hingegen eine breit angelegte, lokale finanzielle Beteiligung an den Gewinnen, zum Beispiel über Anteile für Gemeinden, kommunale Stadtwerke sowie Bürgerinnen und Bürger. Dies lässt sich zum Beispiel über eine genossenschaftliche Unternehmung erreichen, über indirekte Beteiligungsformen wie Stiftungs- oder Vereinsmodelle, bei denen Gewinne in gemeinnützige Zwecke fließen, oder über vergünstigte regionale Stromtarife. 

Faire Planung zahlt sich aus

Eng mit der Akzeptanz lokaler Anlagen verbunden ist das Vertrauen in die Verfahren und verantwortlichen Schlüsselakteure. Durch Glaubwürdigkeit, offene Kommunikation und faire Beteiligungsmöglichkeiten können Investoren und Projektierer Konflikte konstruktiv führen. Dazu gehört es, jüngere wie ältere Bürgerinnen und Bürger in die Landschaftsgestaltung einzubeziehen. Schließlich ist es ihre Heimat, die sich verändert. Und dazu gehört auch, die aktuellsten Immissionsschutzmaßnahmen einzubringen, die über die gesetzlichen Forderungen hinausgehen, zum Beispiel die Installation bedarfsgerechter Befeuerung und sogenannter Flügel-Hinterkantenprofile, die die Art der Geräusche beeinflussen.


Huebner


 Denn auch wenn es nur relativ wenige betrifft: Es gibt Anwohnerinnen und Anwohner, die unter Anlagengeräuschen ­leiden und denen mit ebendiesen Hinterkantenprofilen geholfen werden könnte. Begründete Einwürfe von Bürgerinnen und Bürgern haben bereits zu technischen Weiterentwicklungen geführt, etwa den Schattenwurfmodulen, oder dazu beigetragen, unlautere Abschreibungsmodelle aufzudecken. Außerdem gibt es mittlerweile in einigen Ländern sowie bundesweit Institutionen wie das Kompetenzzentrum für Naturschutz und Energiewende, die Kommunen mit Beratung, Informationen und Moderation unterstützen. Dazu kommen überprüfbare Gütesiegel für die Projektplanung, etwa die Kennzeichnung als "Partner für faire Windenergie" durch die Servicestelle Windenergie Thüringen. 

Ein fairer Planungsprozess wirkt sich auch langfristig aus: Andernfalls könnten negative Erfahrungen fortwirken und das Erleben der in Betrieb befindlichen Anlagen beeinflussen. Denn je kritischer jemand die Verfahrensgerechtigkeit einschätzte, desto stärker fühlte sie oder er sich später durch die Anlagen gestört. Andersherum: Werden Planungsprozesse, Bau und Betrieb sensibel gestaltet, Menschen frühzeitig informiert und als lokale Expertinnen und Experten einbezogen, ermöglicht dies positive Erfahrungen und erhöht die Qualität der Projekte. Zwar löst Beteiligung nicht alle Probleme – aber ohne dürften viele Probleme wahrscheinlicher werden. 


Mehr zur Energiewende

Naturverträgliche Energiewende - Akzeptanz und Erfahrungen vor Ort. Eine Broschüre des Bundesamtes für Naturschutz, 2019. Mehr erfahren

Die Energiewende muss menschlicher werden -drei Fragen an Dr. Angela Wilkinson vom Weltenergierat. Hier lesen

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