Ausschreibungen: „Der Süden ist nicht schlechter als der Norden“

Neuer Streit zwischen den südlichen und den nördlichen Bundesländern droht, wenn 2017 die feste Einspeisevergütung Investitionszuschüssen weicht und Grünstrom-Projekte im Bieterverfahren vergeben werden.

Hans-Heinrich Andresen, Geschäftsführer WEB Andresen GmbH und Andreas Renner, Leiter der Repräsentanzen Berlin und Brüssel der EnBW Energie Baden-Württemberg AG diskutieren über die Sorgen hier und Ängste dort.

Warum gibt es bei Ihnen im Süden so wenig Windkraftwerke, Herr Renner? Hat der Süden gar keine Chance mehr gegen den windkraftlastigen Norden? 

Renner: Es ist doch hoffentlich klar, dass die Windhöffigkeit im Norden deutlich besser ist als im Süden, an Küstenstandorten ohnehin. Aber selbst im Binnenland gibt es große Unterschiede. Das sehen Sie in Brandenburg und in Sachsen-Anhalt, wo es sehr gute Standorte gibt. Dazu kommt, dass bei uns im Süden die Investitionskosten für eine Windkraftanlage höher liegen als im flachen Land. Wir haben ganz andere Untergrund- und Bauverhältnisse, schwierige Erreichbarkeit, anders als im Norden auf der flachen, grünen Wiese. Wir schätzen, dass die Kosten etwa im Schwarzwald um 10 bis 15 oder 20 Prozent höher liegen als dort. Und all das hat – sicher – mit dazu geführt, dass der Süden in den vergangenen Jahren ein bisschen abgehängt worden ist. Das müssen wir jetzt ändern, dafür müssen wir im Auktionsmodell sorgen. Aber vielleicht hat sich der Süden auch in manchen Dingen nicht ganz klug angestellt.

Kann es sein, dass es mancherorts auch an politischer und gesellschaftlicher Unterstützung mangelt?

Renner: Ich verhehle nicht, dass die Akzeptanz bei Weitem nicht so hoch ist wie im Norden. Wir haben mehr Bürgerinitiativen gegen Windkraft als Mitstreiter für Windkraft. Da toben heftige Kämpfe. Diese gab es in den Anfangszeiten im Norden allerdings auch. Aber wir Renner: arbeiten dran. Und fürchten jetzt, dass es im Referenzertragsmodell Ausgestaltungen geben könnte, die uns im Auktionsmodell die Chance nehmen, im Süden endlich mehr zu bauen. Dass wir genau in dem Moment die erforderliche Akzeptanz haben, wenn das Auktionierungsmodell neue Standorte gar nicht mehr hergibt.

Ist das Auktionsmodell die Lebensversicherung für die norddeutschen Windkraftstandorte, Herr Andresen? Heinrich Andresen, Geschäftsführer WEB Andresen GmbH

Andresen: Ganz und gar nicht. Das stimmt nämlich nicht, was Sie sagen, Herr Renner. Ich bin zwar ein nordfriesischer Bürgerwindparkvertreter, aber ich habe schon weit über 200 Angebote aus Nordrhein-Westfalen, Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz auf den Tisch bekommen. Und dabei gelernt, dass die Wirtschaftlichkeit im Süden nicht schlechter ist als im Norden. Das ist ein Irrglaube. Auf gut Deutsch gesagt, die Rentabilität wird so erreicht, wie in der Windguard-Studie beschrieben. Kann ich aus eigener Erfahrung belegen. Was ich aber feststelle und was im Süden anders ist als im Norden, das sind die Planungsgrundlagen. In Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen sind ja erstmals 2014 großflächig Windkraftgebiete ausgewiesen worden. Und in Bayern gibt’s die 10H-Regelung, da brauch ich gar nicht drüber reden, also das sind dann planerische Grundlagen, die den Ausbau erschweren. Und wenn es ein wirtschaftliches Hindernis gibt im Süden, dann die überzogenen Erwartungen der Landeigentümer, der Gemeinden, der Projektierer.

Renner: Aber Sie können doch nicht negieren, dass die Grundstückspreise im Süden höher sind und es schwieriger ist, ein Windkraftwerk auf einen bewaldeten Berg zu setzen als das flache Land.

Andresen: Im Norden müssen wir dafür eigene Umschaltwerke bauen und unsere Fundamente bis zu 30 Meter in die Erde rammen, nur mal als Beispiel. Ich sehe diese Mehrkosten im Süden nicht.

Herr Renner, Sie hatten eingeräumt, dass der Süden vielleicht seine Hausaufgaben nicht gemacht hat. Was meinen Sie genau?

Renner: Es ist sicher so, dass die Planungshemmnisse im Süden höher waren in den vergangenen Jahren. In Baden-Württemberg ist deshalb das Landesplanungsgesetz geändert worden mit der Verschiebung der Kompetenzen von den Regionalverbänden auf die Kommunen. Auch in Bayern wurde einiges getan. Bayern lag im vergangenen Jahr im oberen Drittel des Zubaus. Wir haben aber ernsthaft Zweifel, dass es dabei bleiben wird, wenn im Ausschreibungsverfahren keine regionale Quotierung eingebaut wird.

Andresen: Aus unserer Sicht ist das Referenzertragsmodell in seiner jetzigen Form vollkommen ausreichend, um für eine angemessene regionale Verteilung sorgen. Es hat sich in der Vergangenheit bewährt, es wird sich auch im Ausschreibungsmodell bewähren. Das hat auch der BDEW für sich so festgestellt.

Renner: Da sind wir allerdings deutlich anderer Meinung. Mit dem gebotenen Referenzertragsmodell allein werden wir nicht gewährleisten können, dass im ganzen Land Wind zugebaut wird. Viel sinnvoller wäre eine Quotierung im Rahmen der Auktion. Es könnte zum Beispiel einen Südanteil von knapp 40 Prozent des Gesamtzubaus festgelegt werden. Man könnte sich alternativ darüber unterhalten, getrennte Auktionen für Nord und Süd abzuhalten, um das zu nivellieren. Uns ist klar, dass die Südprojekte keine Zuschlagsgarantie bekommen können. Eine Verteilung der Windenergie über Deutschland ist auch deshalb wichtig, um die Abregelungen der norddeutschen Windparks nicht noch zu erhöhen. Diese volkswirtschaftlichen Kosten müssten ansonsten auch im Auktionsmodell betrachtet werden. Mittelfristig wäre es aber sinnvoll, den geplanten deutschen Windatlas zur Grundlage der Ausschreibung zu machen. Aus dem Windatlas könnten allgemein verbindliche Standardklassen abgeleitet werden, die im Rahmen der Auktion jeweils spezifisch berücksichtigt werden könnten.

Andresen: Der Windatlas ist eine Option, die man ernsthaft verfolgen muss. Wenn wir in zwei Jahren diesen Atlas bekommen könnten, wäre auch eine Anpassung des Referenzertragsmodells zur nächsten Novellierung des EEG verzichtbar.

Der BDEW argumentiert gegen eine regionale Quotierung, aber für eine Anpassung des Referenzertragsmodells mit einer abgesenkten Grundvergütung.

Andresen: Gegen eine Senkung ist prinzipiell nichts einzuwenden. Es müssen allerdings die Betriebskosten weiter abgebildet sein. Das System soll ja einen Anreiz schaffen, mit der Anlage in den Markt zu gehen. Aber das, was der BDEW an Grundvergütung vorschlägt, liegt aus unserer Sicht einfach einen Tick zu niedrig. Wir brauchen quasi ein Sicherheitsnetz durch die Förderung, dass das Risiko minimiert. Sonst investiert doch keiner mehr.

Renner: So einfach ist das leider nicht. Auch nach unserer Auffassung muss die Grundvergütung deutlich sinken. Sie ist sonst für windstarke Standorte eine erhebliche zusätzliche Erlösquelle, die die Bieterchancen solcher Standorte überproportional verbessert. Binnenstandorte brauchen ja die Anfangsförderung über den gesamten Förderzeitraum, weil sie sich sonst nicht refinanzieren lassen. Windstarke Standorte gehen im neuen Referenzertragsmodell schneller aus der Anfangsvergütung. Danach haben sie eine Chance auf Zusatzerträge durch den Markt. Wenn man dort aber eine lange Phase von Vergütung über den Markt nach Auslaufen der Anfangsvergütung in die Kalkulation von Auktionsgeboten mit einbezieht, sehen die konkurrierenden Binnenlandstandorte schlecht aus. Das ist das Gegenteil von Nivellierung. Das Auktionsmodell muss es aber schaffen, auch nicht ganz so gute Standorte in die Umsetzung zu bringen. Es ist unsere große Sorge, dass wir sonst eine deutschlandweite Lastverteilung nicht mehr hinbekommen.

Andresen: Wir haben im Moment eher die Sorge, dass bei uns im Norden nichts mehr errichtet wird.

Das meinen Sie nicht im ernst...

Andresen: Doch natürlich. Die zukünftige Verteilung der Windkraftflächen ergibt sich durch die Planung der einzelnen Länder. In Schleswig-Holstein ist im Moment gar keine Fläche vorhanden. Die Flächen, die ausgewiesen sind, sind bebaut. In Niedersachsen ist es ähnlich. Es wird sich also allein dadurch eine Verschiebung ergeben, dass Flächen in anderen Bundesländern zur Verfügung gestellt werden, ob es jetzt von Nord nach Süd oder Ost nach West ist. Im Norden wird man Repowering-Projekte sehen, aber sonst wenig Neues.

Das hat also nichts mit dem Auktionsmodell zu tun?

Andresen: Doch, das kommt ja noch hinzu. Wenn wir von einem Referenzertragsmodell nach Leipziger Modell ausgehen, dann wird die Förderung so schnell abgesenkt, dass es fast untragbar wird, vor allem für Bürgerwindparks. Es kann ja auch mal nach ein paar guten Windjahren ein paar schlechte geben – das gibt das Modell finanziell aber nicht her. Ich fürchte, dass sich viele Bürgerwindparks deshalb die Sache mit dem Ausschreibungsmodell erstmal von weitem angucken werden um zu sehen, wie es dann läuft.

Renner: Aber wenn Sie kein vernünftiges Referenzertragsmodell haben, wird im Süden auch kein Bürgerenergiepark mehr bieten können, weil er zu viele Risiken hat und zu viele Grundkosten in der Entwicklung des Projektes, um nachher damit zu rechnen. Im Übrigen gilt das auch für Große.

Braucht es also doch einen regionalen Ausgleichsmechanismus im Auktionsmodell?

Andresen: Wenn Sie mich fragen, was ich für gerechter halte, die Anpassung des Referenzertragsmodells oder eine Art Quote, 40:40:20 oder ähnliches, dann würde ich die Quote für gerechter halten. Damit das klar ist: Das ist nicht mein favorisiertes Modell. Aber von zwei schlechten Lösungen die weniger schlechte. Ich glaube ja, dass wir solche Instrumente überhaupt nicht brauchen.

Renner: Wenn wir die Energiewende zum Erfolg führen wollen durch die Ausweisung von systemrelevanten Kraftwerken, dann muss der ganze Süden ran. Alles, was zur Netzstabilisierung im Süden beiträgt, wird einfach wichtig sein. Wir haben 2.500 Megawatt Ausbauziel als Nettoziel, das erreichen wir nicht nur im Norden. Da haben Sie recht, Sie haben weder die Flächen und selbst mit Repowering werden wir die Zubauraten nicht erfüllen. Eine räumliche Verteilung der Windenergie wird auch in Starkwindsituationen zur Stabilisierung des Netzes führen

Andresen: Wir sind gar nicht so weit auseinander. Auch der Norden will nicht, dass jede Anlage an den ertragreichen Standorten errichtet wird. Aber man darf halt ertragreiche Standorte auch nicht bestrafen. Das macht ja volkswirtschaftlich keinen Sinn.

Renner: Deshalb müssen wir ein Design für das Auktionsmodell finden, das das ermöglicht. Von der Planungssicherheit her, würde ich mir wünschen, dass wir eine regionale Quotierung oder sonst was mit unterbringen, um die Südstandorte weiterhin konkurrenzfähig zu halten. Das würde dem Windausbau in ganz Deutschland gut tun. Und wir haben da noch was vor uns. Die 2.500 Megawatt sind Nettoziele, wir brauchen mittel- bis langfristig jährlich 4,4 Gigawatt in etwa nach unserer Schätzung, die auch erreichbar sind. Wenn es in ganz Deutschland Zubau gibt. Sie werden es nicht im Norden wuppen und wir im Süden schon gar nicht. Wenn das Design nicht stimmt, wird die Auktionierung die gegenteiligen Effekte bringen zu denen, die wir brauchen.

Andresen: Lassen Sie uns nicht nur über Norden und Süden reden. Wir haben die Mitte draußen vorgelassen und den Osten, also eigentlich muss man ja sagen, das Design muss für ganz Deutschland passen. Da gebe ich Ihnen ja vollkommen recht. Und das ist keine einfache Aufgabe, auch keine einfache Aufgabe für die Politik, auch nicht für die Verbände. Vielleicht muss in diesem Zusammenhang rüberkommen, wir sind nicht die, ich nenne es mal ganz plakativ: Feinde der Energieversorger. Wir sollten eher nach Gemeinsamkeiten suchen und gucken, was wir gemeinsam machen können. Am Ende des Tages ist unser gemeinsames Ziel, die Energiewende zum Erfolg zu führen. Das ist ein großes Ziel, und da braucht man auch alle Akteure, die es am Markt gibt.

Was Andreas Renner und Hans-Heinrich Andresen über mögliche Benachteiligungen von kleinen Unternehmen gegenüber großen Energieversorgern denken, lesen Sie im ersten Teil des Gespräches Ausschreibungen: „Das muss für ganz Deutschland passen“ .

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