Der promovierte Betriebswirtschaftler Bernd Benser leitet in Cottbus das GridLab Trainingszentrum für Systemsicherheit in den Elektrizitätsnetzen. Im Interview spricht er über Perspektiven in der Energiewirtschaft und die Notwendigkeit eines Netzführerscheins.
Streitfragen: Herr Benser, was würden Sie dazu sagen, wenn Ihre eigenen Kinder später Netztechniker werden möchten?
Bernd Benser: Ich wäre glücklich darüber. Es gibt kaum eine Branche, die so hervorragende Entwicklungsmöglichkeiten – und auch noch so sichere und gut bezahlte Jobs bietet wie die Energiewirtschaft.
Streitfragen: Das klingt nach Zukunft!
Bernd Benser: Wenn die Energiewende gelingt – und das steht außer Frage –, wird sie der größte deutsche Exportschlager sein. Dann wird die „German Energiewende“ der Oberbringer – und weltweit zum rauschenden Wirtschaftsfestival.
Streitfragen: Mit der SeasonsUniversity bieten Sie Netzbetreibern ein Recruiting-Tool, um Studierende quasi von der Uni abzuwerben. Ist der Bedarf so groß?
Bernd Benser: Ja, denn es gibt im Bereich der Netzbetreiber eine Überalterung, ganze Jahrgänge von Operatoren und Dispatchern werden demnächst in Ruhestand gehen. Einen Netzführer auszubilden, dauert zwischen zwei und vier Jahren. Die Netzbetreiber sind also gut beraten, ihre Mitarbeiter rechtzeitig auszuwählen.
Streitfragen: Haben sich die Anforderungen an die Netztechniker verändert?
Bernd Benser: Sie werden immer komplexer, weil im Stromnetz Einspeisung und Last durch den wachsenden Anteil erneuerbarer Energiequellen häufig auseinanderklaffen. Früher hatte jeder Netzbetreiber sein eigenes Trainingssystem. Heute besteht die Hauptaufgabe darin, Koordination herzustellen. Die Verantwortlichen in den Schaltstellen müssen auch übergreifend trainieren, vom Übertragungsnetzbetreiber bis zu den Stadtwerken.
Streitfragen:
Welche Absolventen sind bei der Branche besonders begehrt?
Bernd Benser
Chief Business Officer des Gridlab-Trainingszentrums für Netzsicherheit (Cottbus).
Bernd Benser: Vor allem Elektro- und Technikingenieure. Aber dieses Profil ändert sich. So sind die Anforderungen an deren Kommunikationsfähigkeit sehr stark gestiegen.
Streitfragen: Man hört, wer ins Gridlab Assessment Center kommt, muss beharrlich sein.
Bernd Benser: Ja, Beharrlichkeit ist die Fähigkeit eines Mitarbeiters, Situationen zu lösen – auch über Widerstände hinweg. Die Systemführer bei den Übertragungsnetzbetreibern müssen im Zweifelfall per Anweisung dafür sorgen, dass das Netz wieder stabilisiert oder aufgebaut wird. Dafür brauchen sie diese Fähigkeit.
Streitfragen: Gibt es übergeordnete Sicherheitsstandards, für die Netzveranwortliche bei Ihnen trainiert werden?
Bernd Benser: Es gibt keinerlei gesetzliche Grundlage, wir haben in Deutschland nicht einmal eine einheitliche Schaltsprache. Das ließe sich schon mit wenig Aufwand ändern. Wenn Sie in Berlin Bus fahren wollen, müssen Sie regelmäßig Ihre Qualifikation nachweisen. Aber wenn Sie in Deutschland ein für die Sicherheit Europas wichtiges und zwingend notwendiges Netz führen wollen, brauchen Sie erst einmal nichts. Wir benötigen dringend einen geeigneten Prozess, der aus der Branche heraus kommen muss und Standards für eine Art Netzführerschein generiert. Daran mitzuwirken ist unserer Ansicht nach auch Aufgabe des BDEW, weil der die großen Verteilnetz- und Übertragungsnetzbetreiber vereint und repräsentiert.