Brennstoffzelle: Wasser ist die Kohle der Zukunft, aber ...

... seit ihrer Erfindung vor rund 180 Jahren wird die Brennstoffzelle mit Hoffnungen versehen, die sie nie einlösen konnte. Steht jetzt der Durchbruch bevor?

Auch wer den Chemieunterricht nur noch blass in Erinnerung hat, wird mit dieser Formel etwas anfangen können: 2 H2 + O2 -> 2 H2O. Man nimmt Wasserstoff (H), lässt ihn mit Sauerstoff (O) reagieren und erhält Wasser (H2O). Weil diese Reaktion exotherm ist, wird dabei Energie frei – Energie, die zum Antrieb von Maschinen verwendet werden kann. Klingt bestechend einfach, dieses Prinzip der Brennstoffzelle , weshalb sie vom Zeitpunkt ihrer Erfindung an bis heute mit großen Hoffnungen versehen – und manchmal vielleicht auch überfrachtet – war und ist. Aber der Reihe nach.

Die Erfinder der Brennstoffzelle

Die Brennstoffzelle hat zwei Väter. Entdecker ihres grundlegenden Prinzips ist der deutsch-schweizerische Chemiker Christian Friedrich Schönbein. Bei einem Versuch ließ er im Jahr 1838 Platindrähte in einer Elek­trolytlösung mit Wasserstoff und Sauerstoff umspülen. Zwischen diesen Drähten konnte er Spannung messen und wusste so: Es wurde Energie erzeugt. Schönbein veröffentlichte seine Ergebnisse 1839, der walisische Chemiker Sir William Robert Grove las sie und begann einen Briefwechsel mit Schönbein zu dem Thema. Auf Grundlage dieses Austauschs forschte er weiter und entwickelte schließlich die Variante einer galvanischen Zelle, in der das Brennstoffzellenprinzip zur stetigen Energieerzeugung angewendet werden kann. Der Anfang war gemacht.

Energieerzeugung durch Brennstoffzellen 

Das 19. Jahrhundert war eine Zeit kühnen Fortschrittsglaubens und damit auch eine für Utopisten und Visionäre. Einer der bekanntesten ist der Franzose Jules Verne, Jahrgang 1828, der die Welt bis heute mit fantastisch anmutenden Science-Fiction-Romanen fasziniert. Seine Protagonisten ließ er zum Mittelpunkt der Erde reisen und um den Mond, 20.000 Meilen unter das Meer und in 80 Tagen um die Welt. Auch zum Prinzip der Brennstoffzelle hatte Verne etwas zu sagen und ließ den Ingenieur Cyrus Smith in „Die geheimnisvolle Insel“ flammend verkünden, was dereinst Kohle als wichtigsten Energieträger ablösen könnte: „Das Wasser, das in seine Elementarbestandteile zerlegte Wasser, zerlegt durch Elektrizität, die bis dahin zur mächtigen und leicht verwendbaren Kraft erwachsen sein wird. Ich bin davon überzeugt, meine Freunde, dass das Wasser dereinst als Brennstoff Verwendung findet, dass Wasserstoff und Sauerstoff, seine Bestandteile, zur unerschöpflichen und bezüglich ihrer Intensität ganz ungeahnten Quelle der Wärme und des Lichts werden. Das Wasser ist die Kohle der Zukunft.“ Nicht nur Vernes imaginärer Wissenschaftler, auch echte wie der Chemienobelpreisträger Wilhelm Ostwald sahen das große Potenzial einer Energieerzeugung durch die Brennstoffzelle. Sie hat einen deutlich höheren Wirkungsgrad als Konkurrenztechnologien wie der Verbrennungsmotor, sie stellt Energie emissionsfrei zur Verfügung – gerade in den Gebieten, in denen Indus­trieschornsteine das Landschaftsbild prägten und Abgase die Luft verpesteten, eine verheißungsvolle Vorstellung. Allein: Zur Alternative etablierter Technologien konnte die Brennstoffzelle lange Jahre vor allem deshalb nicht heranreifen, weil Wasserstoff in großem Maßstab herzustellen aufwendig, energieintensiv und damit teuer ist.

Revival

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts blieb die Brennstoffzelle in ihrer Nische. Manch ein Forscher probierte hier und dort etwas, der Brite Francis Thomas Bacon beispielsweise, der ab den 1940er-Jahren wichtige Grundlagenarbeit leistete. Zurück ins Licht der breiten Öffentlichkeit brachte es die Technik dann in den 1960er-Jahren: Die NASA setzte auf Brennstoffzellen, um an Bord von Raumfähren Energie zu erzeugen und Trink- und Kühlwasser herzustellen. Alles, was es dazu brauchte, waren Wasserstoff- und Sauerstofftanks sowie eine Brennstoffzelle, in der die Reaktion stattfand. Viele Jahre und Missionen über funktionierte das sehr gut, bis es 1970 beinahe eine Katastrophe gegeben hätte: An Bord der Apollo 13 explodierte ein Sauerstofftank, die Leitung eines weiteren wurde dadurch beschädigt. An Bord konnte nur noch wenige Stunden Energie produziert werden, die Raumfähre musste schleunigst zur Erde zurückkehren. Das berühmte „Houston, we’ve had a problem“ der Apollo 13 – es hat mit der Brennstoffzelle zu tun. Im Automobilbau begannen in den 1960er-Jahren die Experimente an Autos mit Brennstoffzellenantrieb. General Motors stellte 1966 den GM Electrovan vor, einen umgebauten Kleinbus. Der Wagen hatte eine Reichweite von 240 Kilometern und fuhr maximal etwa 110 Kilometer je Stunde – durchaus alltagstaugliche Werte. Weniger alltagstauglich: Er wog mehr als drei Tonnen und die Ladefläche des Autos wurde fast vollständig vom Antrieb genutzt. Weil die Ingenieure offenbar nicht erwarteten, dieses Problem schnell zu lösen, verschwand die Brennstoffzelle wieder in der Schublade. In den 1990er-Jahren verhalf Mercedes-Benz ihr mit der Forschungsfahrzeug­reihe NECAR zum Comeback, andere Autohersteller zogen nach – bis 2014 schließlich Toyota die Autowelt erstaunte und mit dem Mirai das erste Serienfahrzeug mit Brennstoffzellenantrieb auf den Markt brachte. Was – neben dem hohen Preis von knapp 80.000 Euro – aber noch in weiten Teilen der Welt viele Menschen vom Kauf eines Mirai abhält: Das Netz an Wasserstofftankstellen ist außerordentlich dünn. In Deutschland gibt es etwa 50 davon, die über 14.000 normalen Tankstellen gegenüberstehen. Das Dilemma: Solange es nicht genügend Tankstellen gibt, werden die Verkaufszahlen nicht signifikant steigen – und solange es nicht genügend Fahrzeuge gibt, fehlt der Grund, Tankstellen einzurichten. Ein klassisches Henne-Ei-Problem.

Die Zukunft der Brennstoffzelle

Brennstoffzelle

Es gilt weiter, was schon lange für die Brennstoffzelle gilt: Sie ist ein einziges „Ja, aber“. Ja: Fossile Brennstoffe werden eines Tages versiegen, die Menschen werden anders Energie erzeugen müssen. Die Brennstoffzellen-Technologie eignet sich dafür. Aber: Sie ist bei Weitem nicht die einzige Alternative. Die Stromerzeugung aus regenerativen Energien hat mindestens ebenso viel Potenzial. Ja: Die Brennstoffzelle ist gerade als Auto­antrieb attraktiv, verspricht emissionsfreie Mobilität. Aber: Emissionsfrei ist nur der Betrieb des Autos. Die Ökobilanz der Herstellung des Wasserstoffs ist nur dann gut, wenn dieser mithilfe von Ökostrom gewonnen wurde. Ja: Ein Tankstellennetzwerk aufzubauen, ist kein unüberwindliches Hindernis. Aber: Die Aufgabe, eine Tankstelleninfrastruktur aufzubauen, schieben Staat und Privatwirtschaft schon länger einander zu, ohne entschlossen zu handeln. Zurück zu Cyrus Smith aus Jules Vernes „geheimnisvoller Insel“, der dem Wasserstoff eine große Zukunft als Energieträger voraussagt. Hat er nun Recht? Allen Abers zum Trotz wahrscheinlich schon. Nur wann diese Zukunft genau beginnt, kann gerade niemand sagen. 

Zum Autor: Marc Lüttgemann arbeitet als Redakteur bei C3 und schreibt über Wissenschaftsthemen.

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