Was bedeutet die Energiewende für den Lastenverkehr? Für die Hersteller von Lkw und Sattelschleppern ist das längst noch nicht klar. Nur so viel steht fest: Es kommen enorme Herausforderungen auf sie zu. Ab 2025 müssen sie die CO2-Emissionen ihrer Lkw-Flotte um 15 Prozent im Vergleich zu 2019 gesenkt haben, ab 2030 sogar um 30 Prozent. Und zwei Prozent der angebotenen Fahrzeuge sollen ab 2025 völlig emissionsfrei beziehungsweise emissionsarm funktionieren. So lauten die Vorgaben der Europäischen Union. Darüber hinaus müssen die Busflotten öffentlicher Behörden und Unternehmen ab 2025 zu 45 Prozent und ab 2030 zu 65 Prozent mit alternativen Antrieben ausgestattet sein. Das legt die Clean-Vehicle-Richtlinie der EU fest. Das Problem ist jedoch: Auch wenn es diese Technologien schon gibt, sind sie zum großen Teil noch nicht einsatzbereit.
Batteriebetriebene Motoren wiegen viel, haben meist eine kleine Reichweite und ihre Herstellung setzt oft übermäßig viel CO2 frei. Das ist nicht neu. Deshalb drängte zuletzt die Wasserstoff-Technologie wieder in den Fokus der Entwickler. Und was ist mit Erdgas und mit den synthetischen Kraftstoffen?
E-Fuels – klimaneutral, aber …
Die synthetischen Kraftstoffe – die sogenannten E-Fuels – werden über elektrochemische Prozesse aus dem CO2 der Atmosphäre gewonnen. Ihre Verbrennung setzt also genauso viel CO2 frei, wie in der Luft war. Damit sind E-Fuels klimaneutral – solange die Elektrizität für ihre Herstellung aus Erneuerbaren Energien stammt. Für sie müsste die Produktion der derzeitigen Verbrennungsmotoren kaum umgerüstet werden. Auch das bestehende Tankstellennetz könnte weiterbetrieben werden. Doch die Herstellung von E-Fuels ist teuer und verbraucht viel Energie. Ein Gutachten der Deutschen Energie-Agentur für den Verband Deutscher Automobilhersteller kam Ende 2017 zu dem Schluss, dass ein Liter E-Diesel 4,50 Euro kosten würde.
Auch Erdgas scheint keine Lösung zu sein: Synthetisches Erdgas, also Methan, ist klimaneutral, wenn es mit Erneuerbaren Energien hergestellt wird. Das gilt ebenfalls für Biomethan, das aus der Vergasung von Biomasse gewonnen wird. Zwar gibt es eine gut ausgebaute Tankinfrastruktur für Erdgas. In ihr wird jedoch vornehmlich fossiles Methan vorgehalten. Das kann auf dem Weg zur klimaneutralen Gesellschaft zwar ein wichtiger Bestandteil sein, weil bei seiner Verbrennung weit weniger Kohlendioxid entsteht als bei Schweröl, Diesel oder Benzin. Doch fossiles Erdgas bringt zusätzliches CO₂ in die Atmosphäre – zumindest solange das Treibhausgas nicht abgesondert und gespeichert wird.
Darüber hinaus gibt es bislang keine nennenswerte Erdgasproduktion aus Erneuerbaren Energien, und Biogas wird zurzeit meist zur Strom- und Wärmeerzeugung genutzt. Nur fünf Prozent gehen in den Verkehr, ergab eine Studie der Agora-Verkehrswende im Jahr 2019. Auch der Anteil des wegen seiner hohen Energiedichte gerade für den Lastverkehr so geeigneten komprimierten Erdgases CNG (Compressed Natural Gas) spielt der Studie zufolge im derzeitigen Erdgasmix keine Rolle. Und das zuletzt oft gelobte verflüssigte Erdgas LNG (Liquefied Natural Gas) muss auf minus 160 Grad Celsius abgekühlt und bei dieser Temperatur gehalten werden. Das kostet viel Energie. Zudem sind die Stickoxid-Emissionen bei der Verbrennung recht hoch.
Brennstoffzelle versus Batterieantrieb
Für Dr. Ulrich Schmidtchen, Sprecher des Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verbands (DWV), ist die Frage nach der künftigen Motortechnik schon beantwortet: "Der Verkehr der Zukunft wird elektrisch sein", sagt er. Ob der Strom aus Batterien stammt oder mit Brennstoffzellen hergestellt wird, ist für ihn kein Entweder-Oder: "Je schwerer die Fahrzeuge werden und je weiter sie fahren sollen, desto weniger kommen sie um die Brennstoffzelle herum." Ähnlich sieht es Ralf Wörner, Professor für Fahrzeugtechnik in der Automobilwirtschaft an der Hochschule Esslingen. "Dort, wo der batterieelektrische Energiespeicher an seine Grenzen stößt, kann Wasserstoff eine Ergänzung oder sogar die Antwort sein", sagt der Leiter des Instituts für Nachhaltige Energietechnik und Mobilität. Die Hybridtechnik mit fossilen Verbrennungsmotoren sei lediglich noch eine Übergangstechnik.
Bei der elektrischen Energieerzeugung mittels Brennstoffzellen entsteht kein CO2, sondern lediglich Wasserdampf. Der Gesamtwirkungsgrad – gemessen von der Wasserstoffproduktion mit Strom aus Erneuerbaren Energien über die Verteilung des Wasserstoffs bis zum Verbrauch auf der Straße – liegt zwar unter dem eines Akku-Antriebs, aber dennoch ist die Brennstoffzelle deutlich effizienter als der Verbrennungsmotor: Sie arbeitet bei einer Betriebstemperatur von lediglich 50 Grad Celsius und bietet vor allem eine große Reichweite. Und sie ist kaum zu hören.
Diese Vorteile gelten gerade für den Lastenverkehr. "Die schweren Lkw sind zurzeit nur ein kleiner Teil des weltweiten Fahrzeugbestands, aber sie sind für einen unverhältnismäßig großen Teil der Emissionen verantwortlich", sagt Schmidtchen. "Also kann man hier besonders große Erfolge bei der Verminderung der Emissionen erwarten." Schwere Nutzfahrzeuge produzieren in der EU derzeit rund sechs Prozent der gesamten CO₂-Emissionen und rund 25 Prozent des Kohlendioxidausstoßes im Straßenverkehr.
Diskussion über den Preis
Ein Nachteil der wasserstoffbetriebenen Brennstoffzelle ist jedoch der hohe Preis. Prognoserechnungen hätten ergeben, dass sie selbst bei optimaler Produktionsplanung vier bis acht Mal teurer sei als ein derzeitiger Verbrennungsmotor, sagt Professor Wörner. Die Politik sei gefordert, hier über Abgabebefreiungen und Subventionen entgegenzusteuern.
Bildergalerie: Grün, grau oder türkis - Wasserstoff ist nicht gleich Wasserstoff (Klick öffnet Bildergalerie)
Schmidtchen zufolge wird der Preisunterschied zum Diesel auf lange Sicht "praktisch Null" sein. Das habe vor allem mit den künftig – wie er erwartet – stark sinkenden Kosten für Wasserstoff und Brennstoffzellen sowie der unterstützenden Logistik im Alltag zu tun. Auch er betont die Rolle der Politik, die mit Abgaben und sonstigen Regeln in die Entwicklung des Preises eingreifen könne.
Je schwerer die Fahrzeuge werden und je weiter sie fahren sollen, desto weniger kommen sie um die Brennstoffzelle herum. Ralf Wörner, Hochschule Esslingen
Darüber hinaus ist ein Nachteil, dass es zwar eine gut ausgebaute Wasserstoff-Infrastruktur für die Energiebedarfe der Industrie in Deutschland gibt, die für Tankstellen-Anwendungen jedoch ungeeignet ist. "Der Nutzwert eines Fahrzeuges ist davon abhängig, ob auch eine großflächige Infrastruktur verfügbar ist", sagt Wörner. Kein klimafreundlicher Lkw fahre ohne verfügbare Tankstellen- und Wartungseinrichtungen. "Die unterschiedlichen Branchen und Wirtschaftszweige müssen miteinander sprechen und handeln", so der Wissenschaftler.
Elektro–Schienen auf Autobahnen
Der Verkehrsexperte Professor Harald Kipke von der TH Nürnberg fordert ein generelles Umdenken bei der Mobilität. Die Mobilitätswende sei zu fahrzeugkonzentriert gedacht. Kipke plädiert dafür, weniger Energie zu verbrauchen und die Transportvorgänge zu optimieren – durch mehr Dienstleistung, mehr Arbeitsteilung, mehr Homeoffice, mehr Automatisierung und mehr Schienenverkehr. Der Mensch und seine Bedürfnisse müssten im Vordergrund stehen und nicht neue Automobilkonzepte. Den Schienenverkehr denkt Kipke deshalb, gar nicht nur ausschließlich über die Bahnstrecken abzuwickeln. "Warum nutzen wir nicht die Autobahnen?" In Deutschland sei es schwierig, auf die Schnelle neue Schienenwege zu bauen. Auf den Autobahnen gebe es jedoch genug Platz, aber das sei leider noch nie tiefgehend untersucht worden. Bislang wurden lediglich Versuche mit oberleitungsgespeisten E-Lkw auf der A1 bei Lübeck und auf der A5 südlich von Frankfurt unternommen. Auch in Schweden gibt es Tests – wenn auch bislang eher rudimentär.
Von Tesla lernen heißt...
Dagegen setzt der kalifornische E-Autobauer Tesla voll auf den batteriegetriebenen Fahrzeugbau: Sein Pick-up "Cybertruck" kommt auf eine Reichweite von bis zu 800 Kilometern. Das schafft die rein akkubetriebene Sattelzugmaschine "Tesla-Semi" nach Herstellerangaben ebenfalls. Der Brennstoffzellen/Batterie-Hybrid-Pick-up "Badger" des Konkurrenten Nikola aus Arizona fährt dem Unternehmen zufolge knapp 1.000 Kilometer, ohne zu laden oder zu tanken. Und der E-Truck "Nikola Tre" kommt mit einem solchen Antrieb sogar auf bis zu 1.200 Kilometer. Auch Mercedes-Benz will ab 2021 einen schweren E-Truck serienmäßig anbieten. Doch was ist mit den Batterien? Wie lässt sich eine klimagerechte Herstellung sicherstellen? Möglich seien CO2-Abgaben für die Herstellung oder ein Zertifikate-Handel für die Akkus, die in den Fahrzeugen verbaut werden, sagt der Nürnberger Forscher Kipke: "Nur so würden dann auch die Innovationen in Richtung einer Senkung des CO2-Ausstoßes gelenkt werden."
Münster wählt den Mischbetrieb
Erfahrungen mit den bisherigen Innovationen haben die Stadtwerke Münster gemacht. Das kommunale Unternehmen ist gleichzeitig Betreiber der örtlichen Nahverkehrsbetriebe. Schon 2018 hat es über mehrere Monate einen geliehenen Brennstoffzellenbus eingesetzt und bestellte danach fünf solcher Busse. "Aber leider sind die bisher immer noch nicht geliefert worden", sagt Pressesprecher Florian Adler. Die Industrie habe einen großen Lieferverzug. Die Branche sei zurzeit noch geprägt von kleinen Unternehmen und entwickle sich gerade erst.
Wir möchten ohnehin keine Dieselbusse mehr kaufen. Florian Adler, Stadtwerke Münster
Das schreckt die Betreiber in Münster jedoch nicht ab. Zwölf batteriebetriebene E-Busse haben sie schon im Bestand. Dazu kommen im Laufe der nächsten Monate die Brennstoffzellenbusse. Es solle ein Mischbetrieb entstehen, sagt Adler. "Auf kürzeren innerstädtischen Linien werden wir auf relativ kleine Batterien setzen, die an der Endhaltestelle geladen werden können. Auf längeren Linien kommen Wasserstoffbusse zum Einsatz. Die müssen einmal am Tag betankt werden." Die Richtlinien der EU seien für die Energiewende der Münsteraner Verkehrsbetriebe nicht unbedingt ausschlaggebend. "Wir möchten ohnehin keine Dieselbusse mehr kaufen", sagt Adler.
Text: Günter Marks
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