Herr Lazzaro, wann und wie begann bei Mennekes die Geschichte der Elektromobilität und welchen Stellenwert hat Elektromobilität heute in Ihrem Gesamtportfolio?
Wir haben 1996 den ersten Ladestecker entwickelt – und waren damit deutlich zu früh dran. Das Projekt verschwand wieder in der Schublade. Erst als um 2008 die Elektromobilität bei den Herstellern und Energieversorgern Fahrt aufnahm, haben wir das Thema wieder aufgegriffen. Ein Meilenstein war es sicherlich, im Jahr 2013 gemeinsam mit der Energie- und Fahrzeugbranche den Typ-2-Stecker bis hin zum europäischen Standard für das Laden von Elektrofahrzeugen zu führen. Unsere Planung sieht vor, dass die Elektromobilität in diesem Jahr etwa die Hälfte unseres Jahresumsatzes ausmacht.
Sie beobachten und gestalten den Markt der Elektromobilität nun schon sehr lange (mit). Gab es hierbei in den letzten 20 Jahren Entwicklungen, die Sie überrascht oder mit denen Sie nicht gerechnet haben?
Am meisten überrascht mich eigentlich die negative Berichterstattung, insbesondere was die Auswirkungen der Elektromobilität auf die Arbeitsplätze betrifft. Es ist aber nicht die E-Mobilität, die Arbeitsplätze vernichtet. Vielmehr vernichten diejenigen Arbeitsplätze, die sich nicht mit der E-Mobilität beschäftigen wollen. Die Technologie kommt sowieso, die Frage ist aber: Nehmen wir daran teil oder nicht? Man sieht ja am Beispiel Tesla, welche Chancen in dem Thema stecken. Anstatt also schlecht über die Elektromobilität zu reden, sollten wir uns eher mit der Frage beschäftigen, wie man die damit verbunden Chancen wahrnimmt. Ich bin davon überzeugt: Wer nicht spätestens jetzt beginnt, sich mit der Elektromobilität zu beschäftigen, der wird es in der Zukunft schwer haben.
Wie beurteilen Sie den Stand der Elektromobilität hierzulande im Vergleich mit anderen Ländern?
Auch hier gilt: Grundsätzlich wird Deutschland schlechter geredet, als es ist. Mittlerweise sind wir sogar führend, was den Ausbau der Ladeinfrastruktur und die Kfz-Neuanmeldungen angeht. Es gibt mittlerweile sehr viele Akteure im Markt, die staatliche Förderung ist gut, Plattformen wie die Nationale Plattform Zukunft der Mobilität (NPM) sind Erfolgsmodelle. Zwar werden gerne Norwegen und Holland als Paradebeispiele für den Erfolg der Elektromobilität angegeben, da muss man aber etwas genauer hinsehen: Hierzulande sind wir besonders bemüht, die Dinge nicht so schnell wie möglich, sondern lieber so gut wie möglich zu tun. Wir regulieren vergleichsweise stark, damit jedoch schaffen wir nachhaltige Konzepte, die wirklich funktionieren. Man muss nicht überall und immer der Erste sein.
Sie haben 2013 mit dem IEC 62196 Typ 2 einen Standard geschaffen – eine Kooperation zwischen Ihrem Haus, Automobilherstellern und Energieversorgern, insbesondere RWE und Daimler. Wie bringt man die Interessen eines deutschen Traditionsunternehmens, eines Energieversorgers und eines Automobilherstellers zusammen?
Das war sicherlich ein ambitioniertes, ja abenteuerliches Vorhaben, in der Rückschau aber erfolgreich und hochinteressant. Wir haben das vor allen Dingen deshalb hinbekommen, weil wir alle das gleiche Ziel hatten: Wir wollten, dass Elektroautos auf die Straße kommen. Und dass das System so einheitlich ist, dass man von Schweden bis Sizilien mit ein- und demselben Stecker unterwegs sein und sein Auto laden kann. Letztlich war es also das gemeinsame Ziel, was uns trotz der komplexen und sehr unterschiedlichen Strukturen der Einzelplayer befähigt hat, den Typ-2-Stecker in den Markt zu bekommen. Für uns als vergleichsweise kleines Unternehmen war dieses Vorhaben sicherlich eine Herausforderung. Wir haben sie bewältigt und sind daran gewachsen.
E-Mobilität vernichtet keine Arbeitsplätze. Vielmehr vernichten diejenigen Arbeitsplätze, die sich nicht mit E-Mobilität beschäftigen wollen.
Brauchen wir noch mehr technische Standards im Bereich der Ladeinfrastruktur und wie ließen sich Standardisierungsprozesse verbessern?
Ich glaube, dass weitere Standards, neben den in der deutschen Normungsroadmap beschriebenen, keine Priorität haben. Wir haben schon sehr viele und gute: in Bezug auf Stecker, Ladestationen und Kommunikationsprotokolle für den Datenverkehr zwischen Auto, Ladepunkt und Energieversorger. Wichtiger scheint mir, dass die Standards auch wirklich zum Einsatz kommen. Meiner Meinung nach sollte in allen Förderprojekten die Anwendung der neuen, verfügbaren Standards zwingend festgeschrieben werden. Das diszipliniert alle Beteiligten und nützt am Ende nicht nur dem Kunden, sondern uns allen.
Glauben Sie, dass das Potenzial für die Zusammenarbeit mit Energie- und Automobilunternehmen heute voll abgerufen wird, oder "geht da noch mehr"?
Grundsätzlich ist die Zusammenarbeit zwischen allen Playern im System sehr gut. Man muss aber eines beachten: Eine erfolgreiche Zusammenarbeit erfordert die intrinsische Motivation aller Teilnehmer – ein jeder muss aus der Kooperation einen eigenen Erfolg ableiten können. Hier beobachten wir aktuell, dass zum Beispiel Automobilhersteller zu Energieanbietern werden und umgekehrt. Das ist ein bisschen so als würde ein Bekleidungshersteller nun auch die Waschmaschine für seine Produkte entwickeln und anbieten wollen. Ich bin mir nicht sicher, ob das immer der beste Weg ist. Ich bin eher ein Freund davon, dass auch in neuen Geschäftsmodellen jeder Beteiligte seine Expertise optimal einbringen und am Ende auch ein Geschäftsmodell daraus entwickeln kann.
Inwiefern können digitale Lösungen dabei helfen, die Zusammenarbeit zu verbessern?
Da habe ich ein konkretes Beispiel für eine Kooperation, in der für alle Beteiligten ausgewogene Geschäftsmodelle entstanden sind: Wir haben mit RheinEnergie und dem Softwareunternehmen powercloud das Joint Venture chargecloud gegründet, das sich mit dem Datenmanagement in der Ladeinfrastruktur befasst. Damit haben wir eine digitale Lösung geschaffen, die jeder, der eine Ladeinfrastruktur aufbauen und betreiben möchte, als "Software as a Service" (SaaS) anmieten kann.
Wir als Mennekes nutzen diese Lösung selbst und haben den digitalen Service "MENNEKES ativo" daraus abgeleitet. Mit diesem Service machen wir den Einstieg in die Elektromobilität insbesondere für Industrie- und Gewerbeunternehmen sehr einfach. Das Wichtige daran: Wir nehmen den Energieversorgern ihr Geschäft nicht ab, denn wir verkaufen selbst keinen Strom, wir managen es nur.
Was könnte man noch erreichen, wenn Energie- und Automobilunternehmen sowie Schnittstellenhersteller wie Mennekes noch enger zusammenarbeiten würden?
Im Grunde geschieht das schon in der NPM. Wenn ich mir etwas wünschen könnte, dann wäre das, dass hier nicht immer nur dieselben großen Player aktiv werden. Ich würde mich freuen, wenn sich mehr KMU und Stadtwerke beteiligen, denn die haben viele kreative Ideen und noch dazu wertvolle Praxiserfahrung.
Ergibt es Sinn, wenn diese Zusammenarbeit sich nicht nur auf technische Fragestellungen beschränkt, sondern beispielsweise auch politische einbezieht? Wir könnten uns vorstellen, dass man auch hier im Schulterschluss eine stärkere Stimme hat.
Unbedingt. Wir haben ja eine gemeinschaftliche Aufgabe mit großen Herausforderungen: Das Versorgungsnetz muss ausgebaut werden – und es muss intelligent werden. Denn je mehr E-Autos unterwegs sind, desto mehr müssen die Ladevorgänge global wie lokal gemanagt werden. Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, dass die Politik hier die richtigen Projekte fördert: nämlich solche, die nicht nur die schnellste oder billigste Lösung, sondern die intelligenteste hervorbringen.
Ich wünsche mir von der Politik eine positive Kommunikation und eine klare, verlässliche Position zur E-Mobilität.
Was würden Sie sich von der Politik wünschen in Bezug auf die Frage, wie man die Elektromobilität hierzulande nach vorne bringen kann?
Eine durchgängig positive Kommunikation! Eine klare Position zur E-Mobilität. Zudem wäre es besser, wenn die Politik Maßnahmen erst dann ankündigen würde, wenn sie unmittelbar vor ihrer Umsetzung stehen: Wenn die Politik zum Beispiel einen Umweltbonus ankündigt, lange bevor er genutzt werden kann, wartet ein Großteil der Interessenten mit einem Kauf, bis der Bonus kommt. Das bremst uns aus. Darüber hinaus sollten unbedingt Maßnahmen erarbeitet und definiert werden, um alle Ladepunkte mit einem einheitlichen Zahlungssystem auszustatten. Es gibt hier sehr gute Lösungen wie zum Beispiel ein Roamingsystem und die in der ISO/IEC 15118 standardisierten Kommunikationsmöglichkeiten, die unbedingt genutzt werden sollten.
Herr Lazzaro, vielen Dank für das Gespräch.
Interview: Jochen Reinecke
Mehr zu Elektromobilität
Zukunft der Mobilität - die nationale Plattform versteht sich als zentraler Ort zur Diskussion aller Fragen rund um strategische Weichenstellungen im Mobilitätsbereich. Zur Seite