Elektromobilität: Was wäre, wenn der Akku für 3.000 Kilometer Autofahrt reicht?

Vom Siegeszug der Elektromobilität ist nichts zu sehen. Das freilich könnte sich radikal ändern, wenn das Reichweitenproblem gelöst wäre.

Ein Elektroauto, das ohne stundenlanges Laden der Batterie von Flensburg bis nach Konstanz kommt, hängt jeden Benziner ab. Wenn, tja: wenn auch der Preis stimmt.

 

Leistungsfähige Auto-Akkus werden preiswerter

Das fast lautlose Gleiten aus der Parklücke, der sensationelle Antritt, der direkte Draht vom „Gaspedal“ zur Beschleunigung: Wer schon mal auf dem Fahrersitz eines Elektroautos Platz genommen hat, bei dem entsteht mit Sicherheit die Sehnsucht, selbst einmal einen „Stromer“ in Besitz zu nehmen. Der Fahrspaß ist enorm, das Gewissen gleichzeitig fast lupenrein. Wenn das keine Win-win-Situation ist. Trotzdem sind Elektrofahrzeuge im Straßenverkehr noch immer Exoten. Dafür gibt es gute Gründe. Elektroautos taugen – mit einer Akku-Reichweite von oft nicht einmal 150 Kilometern – kaum wirklich für den Alltag. Der gemeine Autokäufer nimmt mit Blick auf Wochenendtouren, Geschäftsreisen oder die Fahrt in den Urlaub vornehm Abstand vom Umzug in die Elektrifizierung. Dass die „Stromer“ deutlich teurer sind als solche mit Verbrennungsmotoren, hilft bei der Entscheidung angenehm nach. Allein – die Lage wird sich ändern. Das könnte schneller und dramatischer passieren, als es von Branchenexperten (und den meisten Laien) in den einschlägigen Automobilmagazinen dargestellt wird. Der Siegeszug des Elektroautos steht und fällt mit dem Energiespeicher im Fahrzeug, dem Akku. Und bei dem tut sich einiges. Eine kürzlich im Wissenschaftsmagazin Nature veröffentlichte Studie etwa zeigt auf, dass die Kosten der Batteriepacks, oft knapp die Hälfte des Kaufpreises eines E-Autos, derzeit um jährlich neun Prozent fallen. Schon jetzt, so die Autoren der Studie, sei ein Preis von 230 US-Dollar pro Kilowattstunde Kapazität in Sicht. Damit wäre Elektromobilität für jedermann bezahlbar. Die Rechenexempel basieren dabei ganz konservativ auf Lithium-Nickel-Akkumulatoren, die weiterhin lange Ladezeiten und begrenzte Reichweiten mit sich bringen

Neue Materialmixe für Fahrzeug-Batterien

Fieberhaft geforscht wird indes auch an anderen Materialmischungen für Batterien. So verkündete die Universität Stanford neulich einen Durchbruch bei sehr schnell ladenden Aluminium-Ionen-Batterien . IBM setzt seine Arbeit an Lithium-Luft-Akkus fort, andere setzen eher auf Lithium-Feststoff-Akkus. Wer darauf vertraut, dass die Forscher auch weiterhin ohne Aussicht auf einen echten Durchbruch in den Labors verkümmern, sollte zur Kenntnis nehmen, dass Investoren derzeit großes Interesse an der Akku-Szene haben. Mindestens die Finanzanalysten glauben also daran, dass sich hier in Kürze etwas tun könnte. Um den Faktor 10 wird sich, so ihre Prognose, die Leistungsfähigkeit von Autobatterien in den nächsten Jahren steigern lassen. Und damit wäre wirklich alles anders. Volkswagen schätzt, dass die Alltagstauglichkeit ab einer Reichweite von etwa 500 Kilometern kommt; der Konzern will dies 2020 erreicht haben. Experten wie Dr. Karsten Kieckhäfer vom Institut für Automobilwirtschaft und Industrielle Produktion ( AIP ) der Technischen Universität Braunschweig legen den Triggerpunkt eher auf 800 Kilometer. Von 1.000 Kilometern an geht es auf die Überholspur. Bei 5.000 Kilometern sind die Benziner nur noch ein Nischenprodukt. Warum? Weil man bei solchen Reichweiten eine „kleine“ 1.000-Kilometer-Batterie quasi zum Schleuderpreis kriegen wird – so wie heute einen 100-Gigabyte-Stick, der vor drei Jahren noch als abschreibungsfähige Investition galt. Dann ist nicht nur die Alltagstauglichkeit da, sondern auch der Preisvorteil der Benziner hinüber. Den Effekt, der eine zuvor angeblich absehbare Entwicklung unvorhersehbar verändert, nennt man gemeinhin einen Game Changer. Der Batterie-Boom wird ein solcher werden. Die Abhängigkeit vom Erdöl etwa ist dann schlagartig vorbei – mit entsprechend ernüchternden Folgen für die Öl produzierenden Länder und die Ölindustrie. Die dezentrale Produktion eigenen Stroms hingegen wird massiv zunehmen. Mit einer hochkapazitären Batterie im Auto vor der Tür haben die Verbraucher extreme Bewegungsfreiheit, vor allem aber ihr eigenes Speichermedium für die Dunkelflaute. Zur Absicherung der Versorgungssicherheit werden entsprechend abgesicherte lokal autarke Stromnetze ausreichen, sobald eine „smarte“ Lade-/Entlade-Architektur bereitsteht. Letztendlich werden viele Wirkungen von den realen Zahlen abhängig sein: Je mehr E-Autos auf der Straße sind, desto billiger werden Batterien sein, desto eher entsteht eine eigene Stromspeicher-Ökonomie. Es wird spannend.

 

Akku der Zukunft: Mangelt es an Lithium?

 

Steigt die Menschheit global und massenweise auf E-Motoren um, wird es gleichwohl neue Engpässe geben. Lithium als wichtiger Grundstoff fast aller heutigen Akku-Generationen dürfte dabei nicht zur Bückware werden: Experten gehen eher davon aus, dass die Batterien der Zukunft auf Aluminium basieren. Welche Strommengen dereinst nötig sein dürften, um die Fahrzeugflotte in Bewegung zu halten, ist dagegen schon bekannt. Pro eine Million E-Autos werden nach Schätzungen des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung drei Terawattstunden im Jahr benötigt. Bei heutigen Solaranlagen hieße das, dass man pro Auto-Million zehn Quadratkilometer Fläche mit Photovoltaik bedecken müsste. Derzeit gibt es 44 Millionen Autos in Deutschland. Die Fläche des Bodensees würde rein rechnerisch also dicke reichen.

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