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Ende der Fossilien: Divestment als Mittel für den Klimaschutz

Immer häufiger ziehen sich Anleger aus Unternehmen zurück, deren Schwerpunkt auf fossilen Energieträgern beruht. Ein neuer Trend?
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© Foto: Adobe Stock

 

Die Nachricht schlug ein: Mitte Juni 2019 beschloss das norwegische Parlament, dass der weltweit größte Staatsfond "Statens pensjonsfond utland" künftig stärker in erneuerbare statt in fossile Energieträger investieren soll. Ein bemerkenswerter Paradigmenwechsel, denn der über 900 Milliarden Euro schwere Staatsfonds setzte bisher hauptsächlich auf Einnahmen aus norwegischen Kohle-, Öl- und Gasexporten. Unter anderem zieht sich der Fonds aus der Anlage in Unternehmen zurück, die pro Jahr mehr als 20 Millionen Tonnen Kohle fördern oder Kohlekraftwerke mit einer Kapazität von mehr als 10.000 Megawatt betreiben – allein den Unternehmen der Kohleindustrie gehen dadurch etwa 5,8 Milliarden Dollar verloren. Ende 2019 kündigte auch der schwedische Renten-Investmentanbieter SPP Funds an, seine gesamte Fondspalette sowohl aus ökologischen als auch aus finanziellen Gründen frei von fossilen Brennstoffen zu machen. Andere Anleger folgen dem Trend.

Der weltgrößte unabhängige Vermögensverwalter BlackRock gab im Januar dieses Jahres bekannt, er wolle sich kurzfristig aus dem Geschäft mit sämtlichen Unternehmen zurückziehen, deren Umsatz zu 25 Prozent oder mehr aus der Kohleförderung und/oder -verstromung stammt, hieß es im CEO-Letter des BlackRock-Vorsitzenden Larry Fink. Bisher haben weltweit über 1.100 Organisationen Mittel in Höhe von rund 12,1 Billionen US-Dollar aus potenziell klimaschädlichen Assets abgezogen, berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung im Februar 2020. 

Lösungen entwickeln

"Das ergibt natürlich erst einmal eine gute Schlagzeile", sagt Thomas Meier, Fondsmanager bei MainFirst Asset Management. "Ich glaube aber, dass es ein Fehler ist, sich einfach zurückzuziehen. Man kann als Investor einen Wandel ja nur dann begleiten und unterstützen, wenn man auch involviert ist." Viele Unternehmen seien durchaus willens und in der Lage, sich neu aufzustellen. RWE beispielsweise befinde sich gerade mitten im Wandlungsprozess zu ­einem Vorzeigeerzeuger. 


Divestment


Hortense Bioy ist Financial Analyst und Director of Passive Strategies and Sustainability Research bei der Ratingagentur Morningstar. Sie sagt: "Öl- und Gasunternehmen sind anfällig für Übergangsrisiken. Dazu gehören neue politische und gesetzliche Vorgaben zur Begrenzung des Kohlenstoffausstoßes, kostenintensive Umstellungen auf neue Technologien sowie ein verändertes Verhalten der Verbraucher." Doch das vorschnelle Abziehen von Investitionen sei zu kurz gedacht: Denn Unternehmen in kohlenstoffintensiven Sektoren seien häufig ebenso Teil der Lösung wie Teil des Problems. "Sie haben die Mittel und das Know-how, um Lösungen zur Verringerung der negativen Auswirkungen von Treibhausgasemissionen zu entwickeln."

Nachteil für die Kleinen

Hinzu kommt, dass ein kurzfristiges Divestment durchaus starke Folgeeffekte mit sich bringen kann. Zum einen hängt die Versorgungssicherheit weltweit immer noch stark von fossilen Energieträgern ab, zum anderen kann Divestment die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in einer globalen ökonomischen Welt massiv beeinflussen. Wenn von Divestment betroffene Unternehmen dazu gezwungen werden, zur Sicherung ihres Geschäfts kurzfristig teure Kredite aufzunehmen, führt dies zu erheblichen Verschiebungen bei den Marktanteilen: Große russische oder saudi-arabische Staatsunternehmen mit ihren entsprechenden Rücklagen erhalten einen Wettbewerbsvorteil, während kleinere private Unternehmen das Nachsehen haben. 

Wer aussteigt, kann keinen Druck erzeugen

Vieles spricht dafür, dass es sinnvoller ist, wenn Investoren Druck auf die Unternehmen ausüben, um Transformationen voranzutreiben, anstatt sie wie eine heiße Kartoffel fallen zu lassen. So haben sich in der Initiative "Climate Action 100+" mehr als 450 Großinvestoren mit einem Investitionsvolumen von 40 Billionen US-Dollar zusammengeschlossen, um Unternehmen zur Emissionsreduktion und Offenlegung ihrer Klimarisiken und -ziele zu drängen. Die Initiative ist erfolgreich: Sie konnte unter anderem die Konzerne Volkswagen, Heidelberg Zement, Nestlé und das weltgrößte Containerschiff­unternehmen Maersk zu einem Commitment zu konkreten Klimazielen bewegen, wie es im aktuellen Fortschrittsbericht der Initiative heißt. Thomas Meier von MainFirst: "Investoren müssen nicht zwingend Gelder abziehen. Manchmal ist es viel besser, die Aktionärsrechte wahrzunehmen und Unternehmen – vielleicht auch mit etwas Druck – in die Transformationsphase zu bringen und dort zu begleiten."

Text: Jochen Reinecke 


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