Nachwuchsförderung in der Energiebranche

Der Leiter der SINUS:akademie Peter Martin Thomas erklärt, wie Jugendliche ticken.

Nachwuchsfoerderung

Das SINUS-Institut hat zum dritten Mal eine Jugendstudie veröffentlicht. Unter dem Titel "Wie ticken Jugendliche 2016?" haben die Forscher untersucht, wie das Leben der 14- bis 17-Jährigen in Deutschland aussieht. Was das für die Nachwuchsförderung in der Energiebranche bedeutet, erklärt der Leiter der SINUS:akademie Peter Martin Thomas:

1) Welche Aspekte untersucht die neue Sinus-Studie?

Die Sinus-Jugendstudie wird alle vier Jahre als Grundlagenstudie durchgeführt, um den Alltag, die Werte und Zukunftsvorstellungen junger Menschen zu beschreiben. Zusätzlich hat jede Studie weitere Schwerpunktthemen. Diese waren 2016 unter anderem die Themen digitales Leben und digitales Lernen, Flucht und Asyl und das Thema Mobilität.

Auf der Basis der Grundlagenstudie werden dann weitere Forschungsprojekte durchgeführt. Bereits vor zwei Jahren entstand so zum Beispiel für die Industrie- und Handelskammern in Baden-Württemberg die Studie „Azubis fördern und binden“ zum Übergang von der Schule in die duale Ausbildung. Kern unserer Jugendstudien ist das Modell der jugendlichen Lebenswelten: Ausgehend von den typischen Vorstellungen, was wertvoll und erstrebenswert im Leben ist, werden Jugendliche zusammengefasst, die sich in ihren Werten, ihrer grundsätzlichen Lebenseinstellung und Lebensweise sowie in ihrer sozialen Lage ähnlich sind. Die jugendlichen Lebenswelten können dann in einem zweidimensionalen Raster positioniert werden, in dem die vertikale Achse den Bildungsgrad und die horizontale Achse die normative Grundorientierung abbildet. Je höher eine Lebenswelt in dieser Grafik angesiedelt ist, desto gehobener ist die Bildung und damit die soziale Lage; je weiter rechts sie positioniert ist, desto moderner ist die Grundorientierung.

2) Aus welchen Lebenswelten stammen traditionell die Auszubildenden der Energie- und Wasserwirtschaft?

Wir haben keine Auswertung vorliegen, welche Lebenswelten in der Energie und Wasserwirtschaft besonders häufig zu finden sind. Die Vielfalt der Arbeitgeber und der Berufsbilder in der Energie- und Wasserwirtschaft legt jedoch die Vermutung nahe, dass es auch eine große Vielfalt an Lebenswelten in der Branche gibt.

Die Verteilung auf die Lebenswelten ist in jedem Fall von den Berufsbildern und Ausbildungen abhängig. In den akademischen und intellektuell anspruchsvollen Berufen werden sich eher die Lebenswelten mit höherer formaler Bildung finden. In den Berufen der dualen Ausbildung finden sich eher junge Menschen aus der unteren Mitte und den mittleren und niedrigen Schulabschlüssen.

Erheblichen Einfluss darauf, welche Lebenswelten besonders häufig in einem Unternehmen zu finden sind, haben darüber hinaus die Unternehmenskultur, die Unternehmensziele und auch die Größe eines Unternehmens.

Ein großer, international aufgestellter Energiekonzernen mit breiten Aufstiegsmöglichkeiten und langfristige Arbeitsplatzsicherheit wird andere junge Menschen anziehen als ein junges Startup-Unternehmen, welches sich der Innovation und der Ökologie verschrieben hat.

3) In welchen Lebenswelten findet man die jungen Leute, die die Energiewende vorantreiben wollen?

Die jungen Menschen, für die das Projekt der Energiewende besonders interessant sein dürfte, finden sich mit großer Wahrscheinlichkeit verstärkt in den Lebenswelten der Sozialökologischen und Expeditiven .

Sozialökologische Jugendliche suchen nach einer sinnvollen Arbeit und sind an Fragen der Ökologie und Nachhaltigkeit interessiert. Diese Themen sind eng mit der Energiewende verbunden. Für sie muss der Arbeitgeber aber auch hohen ethischen Ansprüchen entsprechen und ein passendes soziales Umfeld bieten. Daher ist gut möglich, dass sie sich eher kleinen Unternehmen als den großen Energieanbietern zuwenden.

Expeditive Jugendliche sind an innovativen und herausfordernden Projekten interessiert. Mobilität, Internationalität und eine hohe Leistungsorientierung spielen dabei eine wichtige Rolle. Im Rahmen der Energiewende lassen sich mit Sicherheit zahlreiche Projekte finden, die in diesem Sinne für die Expeditiven interessant sind. Allerdings muss man sich dessen bewusst sein, dass sich Expeditive kaum dauerhaft an oder ein Unternehmen binden lassen. Und auch für die Expeditiven spielt die Unternehmens- und Führungskultur eine wichtige Rolle bei der Auswahl ihres Arbeitgebers.

4) Können Sie aus den Ergebnissen der Studie Tipps und Ratschläge für die Nachwuchsgewinnung der Energieunternehmen ableiten?

Im Rahmen dieses Artikels möchte ich mich auf drei Tipps beschränken, die sich aus dem vorherigen Ausführungen ergeben:

Unternehmen brauchen eine eindeutige Arbeitgebermarke (Employer Branding).

In dieser müssen die Unternehmenskultur und die Vision des Unternehmens attraktiv dargestellt werden. Dazu muss ein Unternehmen nicht unbedingt immer jung, innovativ und dynamisch erscheinen. Manchmal sind Kontinuität, Zuverlässigkeit und Sicherheit ebenso interessante Eigenschaften aus Sicht der jungen Menschen. Wichtig ist vor allem, dass die dargestellte Arbeitgebermarke mit der wahrgenommenen Realität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übereinstimmt.

Eine erkennbare Arbeitgebermarke braucht eine klare Zielgruppe: Beschreiben Sie möglichst genau die Kernzielgruppe der zukünftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Ihres Unternehmens und differenzieren Sie gegebenenfalls diese Zielgruppe nach verschiedenen Berufsfeldern, Regionen oder anderen Faktoren.

Nur so können Sie Ihre Kommunikationsinhalte optimal auf die gewünschten Bewerberinnen und Bewerber abstimmen. Eine Zielgruppe bestimmt sich dabei nicht nur über sozio-demographische Angaben wie Alter oder Bildung, sondern vor allem über ihre Werte, ihren Lebensstil und ihre Zukunftsvorstellungen. Daher bietet es sich an, bei der Beschreibung einer Zielgruppe mit einem Modell wie den Sinus-Lebenswelten zu arbeiten.

Insbesondere im Hinblick auf jüngere Bewerberinnen und Bewerber, die in ihrem Alltag wenig Berührungspunkte mit der Energie- und Wasserwirtschaft haben, gilt es dann, möglichst viele Begegnungsmöglichkeiten mit den jungen Menschen zu schaffen.

Dies ist möglich über die Kooperation von Schule und Wirtschaft, dies können Betriebsbesichtigungen und vor allem Praktika sein. Berührungspunkte können aber auch dort entstehen wo sich junge Menschen im Alltag aufhalten: bei Festivals und Events oder in der Jugendarbeit. Und auch Aktivitäten der Corporate-Social-Responsibility können Aufmerksamkeit und vor allem die Sympathien bei jungen Menschen erzeugen.

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