Herr Kaendler, wie begegnet Amprion den Herausforderungen der Energiewende?
Kurzfristig sichern wir den Systembetrieb. Wir halten die Spannung im Netz stabil, was wegen der hohen Belastung und zunehmender Lastflusswechsel im Netz eine Herausforderung ist. Mittelfristig gehen wir gemeinsam mit allen Stakeholdern den Umbau des elektrischen Systems an. Langfristig bereiten wir uns darauf vor, die Planung des elektrischen Netzes zu einer Gesamtenergiesystemplanung weiterzuentwickeln, indem wir EE-Strom über Sektorkopplung in anderen Sektoren verfügbar machen.
Wie werden Netze fit für die Energiewende?
Wir müssen Genehmigungsverfahren beschleunigen, um den Netzausbau durchführen zu können. Investitionen in Infrastruktur unterstützen die Volkswirtschaft bei dem Weg aus der Covid-19-Krise. Wir Netzbetreiber können die mittelständisch geprägten Dienstleister durch Investitionen unterstützen und damit Arbeitsplätze sichern.
Brauchen wir fossile Sicherheitsreserven?
Technisch brauchen wir Reserven; die Frage ist: Wie können wir diese wirtschaftlich bereitstellen? Können und wollen wir uns selbst bei einer "Dunkelflaute" versorgen und bauen wir dafür Gaskraftwerke? In welchem Umfang verlassen wir uns auf Kraftwerksleistung aus dem Ausland? In der aktuellen Transformationsphase erscheint mir ein Gas-Backupsystem aus vielerlei Perspektiven rational. Es muss mit einem guten Übergangspfad auch keinen Widerspruch zu den Zielen eines CO₂-freien Energiesystems bedeuten.
Was wäre Ihr Wunsch an die Politik?
Unterstützung bei der Planung und Umsetzung eines nachhaltigen robusten Systems durch ein klares politisches Ziel. Das gilt für den effizienten Normalbetrieb ebenso wie für die Absicherung zwar unwahrscheinlicher, aber angespannterer Situationen. Die Covid-19-Krise zeigt eine neue Sachlichkeit im Umgang mit großen Problemen. Eine solche Sachlichkeit wünsche ich mir auch bei den Entscheidungen für ein nachhaltiges Energiesystem. Dann können wir gemeinsam ein System realisieren, das unserem Auftrag entspricht: sicher, nachhaltig, wirtschaftlich und schonend für die Umwelt.
Vielen Dank für das Gespräch.
Interview: Jochen Reinecke
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