Smart Meter Rollout: Einzug der intelligenten Stromzähler

 Die Tage der alten Stromzähler in Deutschland sind gezählt. Ab 2020 bekommen die ersten Kunden intelligente Zähler eingebaut. Wie sollte ein Smart Meter-Rollout im Idealfall aussehen?

Als Kunde bin ich tatsächlich gespannt, was ich mir als Netzbetreiber schreiben werde. Denn ich habe viele Fragen: Was bekomme ich für ein Gerät und was kann das? Bekomme ich nur das moderne Gerät oder auch das intelligente? Und wodurch unterscheiden sich die beiden eigentlich? Dann mache ich mir als Kunde auch darüber Gedanken, welchen Mehrwert ich durch dieses Gerät habe. Das sind alles Fragen, die wir als Netzbetreiber beantworten müssen. Wir müssen aus der Brille des Kunden schauen und nicht aus der Brille des Netzbetreibers. Das Gesetz sieht den Einbau zweier Zählerarten vor: einer modernen Messeinrichtung und eines intelligenten Messsystems . Welcher Kunde was bekommt, misst sich am Verbrauch. Wer unter 6.000 Kilowattstunden verbraucht, bekommt die moderne Messeinrichtung, wer darüber liegt das intelligente Messsystem. Es gibt also eine einfache Variante und eine aufwendigere. Und ich kann aufrüsten. Es handelt sich um ein Bausteinsystem. Die Kunden erhalten zunächst den Baustein, der für ihren Verbrauch – jedenfalls theoretisch – optimal ist. Die moderne Messeinrichtung wird ungefähr 50 Cent pro Monat mehr kosten. Das intelligente Messsystem fünf, sechs Euro im Monat mehr. Wenn es soweit ist, bekommt der Kunde ein Angebot von seinem Netzbetreiber.

Das wird zunächst verwirren. Denn wer nicht vom Fach ist, geht davon aus, dass der Smart Meter was mit dem Energielieferanten zu tun hat. Das ist aber nicht der Fall. Der Gesetzgeber hat vorgesehen, dass der Kunde es mit einem weiteren Mitspieler zu tun hat, nämlich dem Messstellenbetreiber. Einer liefert und der andere misst den Verbrauch. Das ist vielleicht mit einem Smartphone vergleichbar. Man kauft das Gerät eines Herstellers seiner Wahl und die Apps kann man aus einem Store herunterladen. Wenn wir ein Gerät beim Kunden einbauen, müssen wir als Netzbetreiber natürlich darauf hinweisen, dass er sich statt uns auch einen anderen auswählen kann. Dazu sind wir gesetzlich verpflichtet. Dann sollten wir den Nutzen des Geräts erklären. Etwa, wie man damit seinen Energieverbrauch leichter und besser erkennen und Energieeinsparmöglichkeiten erschließen kann. Da stellt sich für mich die spannende Frage, wie der jeweilige Kunde mit „seinem“ Smart Meter umgeht.

Das eine Gerät ist „nur“ eine moderne Messeinrichtung, die elektronisch zählt und die auch den historischen Verbrauch darlegen kann, und das andere ist eine „intelligente“ Messeinrichtung, die auch den Verbrauch elek­tronisch übermittelt, den man im Internet oder auf einer Plattform darstellen kann. Dazu braucht es natürlich auch Apps und neue Vertriebsprodukte. Aber so weit ist die Branche noch nicht. Und darin liegt eine gewisse Herausforderung. Die neuen Geräte werden also eingebaut, aber es gibt noch keinen Zusatznutzen. Das ist fast wie das Henne-Ei-Problem. Wenn noch keine Vertriebsprodukte da sind, kann man sie nicht mit den neuen Geräten nutzen, die neuen Vertriebsprodukte werden aber nicht entwickelt, wenn die Geräte nicht eingebaut sind. Apps wurden aber auch erst entwickelt, nachdem die Smartphones da waren – und das ziemlich rasant. Erik Landeck möchte auf jeden Fall wissen, welche Daten sein Smart Meter sendet. Ich möchte als Kunde auch gerne wissen, welche Daten aus meinem Haushalt herausgehen, und da werden wir als Netzbetreiber stärker informieren müssen als heute, wer alles die Daten nutzen wird oder wann und wie die Daten überhaupt abgerufen werden. Und ich wünsche mir auch regelmäßig einen Bericht, vielleicht per E‑Mail, welche Daten von meinem Zähler abgerufen worden sind und wann und wer die bekommen hat. Es kann sein, dass ich dem Vertrieb XY die Erlaubnis gegeben habe, meine Daten zu sehen, weil ich mit ihm einen Vertrag abschließen wollte. Aber ich möchte nicht, dass er das auf ewig sieht. Das möchte ich doch schon gerne als Kunde in der Hand haben.

Aber die Gefahr, dass man ausspioniert wird, geht gegen null. Denn mit den technischen Maßgaben, die tatsächlich umgesetzt werden, ist das nicht realisierbar. Auf jeden Fall ist die Umstellung auf Smart Meter ein großer Schritt. Wir müssen als Netzbetreiber darüber aufklären, dass durch diese Modernisierung Dinge möglich werden, die wir im Energiesystem der Zukunft brauchen. Denn es wird viele verschiedene Energielebensformen geben. Und dafür brauchen wir spezielle Konzepte, wie gemessen und abgerechnet werden soll. Mit einer zunehmenden dezentralen Energieversorgung werden verschiedene – heute noch gar nicht bekannte – Konzepte der Energieerzeugung, des -verbrauchs und des -austauschs entstehen und damit auch die Notwendigkeit, das zu messen. Wir müssen also genau wissen, was vor Ort passiert. Daher ist meine Prognose, dass die Verteilnetzbetreiber hier auch in Zukunft eine erhebliche Rolle einnehmen müssen, diese Daten aufzunehmen und auch diese Konzepte mit zu begleiten. Dezentrale Energieversorgung heißt dezentrale Energiekonzepte, also vom Verteilnetzbetreiber durchgeführte Messungen und Bilanzierungen. Wir werden irgendwann eine große Vielfalt an Tarifstrukturen haben. Vielleicht gibt es sogar einen Geburtstags‑Stromtarif, bei dem man an seinem Geburtstag nichts bezahlen muss. Mit dem herkömmlichen alten Zähler wäre das nicht machbar. Mit dem neuen sind diese – vielleicht heute noch verrückten, aber morgen ganz normalen – Ideen umsetzbar.

Dr. Erik Landeck ist Geschäftsführer der Stromnetz Berlin GmbH und der Vattenfall Europe Netzservice GmbH.


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