Smart Metering - Die Schlüsselfrage

Das Projekt Zählertausch: Die intelligente Infrastruktur ist das Tor zur digitalen Energiewelt. Welche Chancen bringt das mit sich – und wie kommt man darüber ins Gespräch?

Sie pusten sich gegenseitig mit dem Föhn um, jagen einander mit dem Rührgerät und springen beim Fangen auch mal ins Gefrierfach: Nein, hier geht es nicht um Tom und Jerry, sondern um Gaz und Leccy. Die blaue Gasflamme und der gelbe Stromblitz sind heimliche Energiefresser – und die Helden der britischen Kampagne zum Smart-Meter-Rollout: »It’s time to get Gaz and Leccy under control«, und zwar mit einem intelligenten Strom- und Gaszähler, der auch den versteckten Verbrauch im Haushalt »in Pounds und Pence« transparent macht. Für den Absender Smart Energy GB ein großer Erfolg, wissen doch 97 Prozent der Briten über den Rollout und die »größte Transformation der Energieinfrastruktur seit einer Generation« Bescheid. Das sieht in Deutschland anders aus: Ende 2016 gaben in einer GfK-Studie für den Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) zwei von drei Befragten an, noch nie von Smart Metern gehört zu haben. Das dürfte sich bis heute kaum geändert haben. Obwohl 2017 das Jahr sein sollte, in dem in Deutschland der Rollout intelligenter Messsysteme startet.

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Bis 2032 sollen die elektromechanischen Ferraris-Zähler in Privathaushalten ausgetauscht und durch digitale Zähler ersetzt werden. Bei einigen Versorgern hat dieser Rollout tatsächlich im Sommer 2017 begonnen – »mit positiver bis gar keiner Resonanz aus der Bevölkerung«, so Dr. Fritz Wegeler, Geschäftsführer der smartOPTIMO GmbH & Co. KG, die knapp 70 Stadtwerken Lösungen und Geschäftsmodelle rund um deren Zähl- und Messaktivitäten anbietet. »Wir haben nur im Promillebereich Rückfragen von Energiekunden bekommen – noch nicht einmal Beschwerden «, so Wengeler. »Das ist nachvollziehbar: Der moderne Zähler sieht aus wie der bisherige, hat ähnliche Funktionen und quasi keine Mehrkosten.«

Bei Prosumern mit Photovoltaikanlage oder Blockheizkraftwerk-Technologie sowie ab 6.000 Kilowattstunden Jahresverbrauch werden künftig hingegen »intelligente Messsysteme« zur Pflicht. Deren Herzstück ist eigentlich ein Gehirn: das Smart-Meter-Gateway, das Verbrauchs- beziehungsweise Produktionsdaten viertelstündlich erhebt und an den Messstellenbetreiber übermitteln kann. Doch genau hier hapert es: Ende 2017 sind schlichtweg keine drei Hersteller mit Geräten auf dem Markt, die den Anforderungen des zuständigen Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) genügen.

Auf die Ansprache kommt es an

Beim Projekt Zählertausch steht Deutschland nicht allein da. Die Digitalisierung des Messwesens ist in der Europäischen Union seit 2009 beschlossene Sache. Bis 2020 sollen sogar 80 Prozent der Messstellen EU-weit »smart« werden. 16 Mitgliedsstaaten, darunter Großbritannien, werden dieses Ziel auch erreichen, so eine Analyse der Kommission von 2014. Deutschland bleibt jedoch weit hinter der 80-Prozent-Quote zurück, da sich die Bundesregierung nach einem Kosten-Nutzen-Gutachten für den stufenweisen Rollout mit nur wenigen »Pflichtfällen« entschieden hat: Das Einsparpotenzial durch die neuen Geräte sei für durchschnittliche Privathaushalte nicht groß genug, um die Kosten zu rechtfertigen. Messstellenbetreiber können bei ihnen zwar optional auf intelligente Systeme aufrüsten, dürfen dafür aber maximal 60 Euro (bei 4.000 bis 6.000 Kilowattstunden pro Jahr) auf die Jahresrechnung umlegen.

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Die Unterscheidung der Smart Meter in »einfache« Zähler und intelligente Messstellen überfordere viele, berichtet smartOPTIMO Geschäftsführer Wengeler. "Im Grunde bekommen rund 90 Prozent der Kunden einen einfachen elektronischen Zähler – eine moderne Messeinrichtung. Lässt man die gewerblichen Kunden außen vor und betrachtet nur die Privatkunden, sind es sogar 95 Prozent. Der erste Schritt in der Kommunikation ist daher: allgemeine Sachstandsklärung, das Problem reduzieren."

Grundsätzlich komme es auf die zielgruppengerechte Ansprache an: "Kunden mit Photovoltaikanlage und Batteriespeicher, die durch neue Verbrauchs- und Einspeisestrukturen Teil der Energiewende sind, haben den Stein ja selbst ins Rollen gebracht. Und wer A sagt, muss auch B sagen – wer eine solche Anlage für 20.000 Euro kauft, muss verstehen, dass die Komplexität auch gemanagt werden muss, die er mitverursacht."

Bei Gewerbekunden gehe es hingegen um andere Fragen, so Wengeler: "Im Büro interessiert keinen der Datenschutz, dieser ist auch gesetzlich anders als bei Privatkunden geregelt. Bei 150 Mitarbeitern schlagen auch 100 Euro mehr Betriebsaufwand nicht so zu Buche. Da muss man die Kunden anders abholen. Auch in der Stadtwerkewelt geht der Fokus mittlerweile dahin: ›Die Technik wird schon funktionieren. Aber was können wir den Kunden an Mehrwert bieten, wenn sie die Fernauslesung haben?‹"


Schritt zur digitalen Transformation

"Ob Amazon, Facebook oder Google, fast alle digitalen Dienste leben davon, dass sie wissen, was ihre Kunden tun und mögen. So funktioniert die digitale Welt: Ich lerne aus Kundendaten und kann mein Leistungsangebot optimieren", sagt Thomas Goette, CEO der GreenPocket GmbH, die Software für Smart Homes und für das Energiemanagement im Unternehmen anbietet.

Wird in Zukunft für jeden Kunden im 15-Minuten-Takt der Zählerstand erfasst, liegen am Ende 35.000 Werte pro Jahr vor, die Verbrauchsmuster widerspiegeln. "Für den Energieversorger ist das Potenzial enorm, dann in Interaktion mit dem Kunden zu treten. Auch für den Kunden hat das Potenzial, weil er vielleicht bessere Tarife und passgenaue Angebote bekommt, etwa zu Erneuerbaren Energien oder E-Mobility." Bei dieser digitalen Transformation der Energiewirtschaft seien die Smart Meter ein wesentlicher Schritt.

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Während in Privathaushalten bisher lediglich Pilotprojekte zum Smart Metering umgesetzt sind, sieht das bei den tatsächlichen Großverbrauchern anders aus: Bei über 100.000 Kilowattstunden Jahresverbrauch sind elektrische Zähler schon heute Pflicht. Handelsketten, zunehmend auch Industrieunternehmen nutzten seit Jahren Energiemanagementsoftware, sagt Goette. "Der jetzige Rollout betrifft zwar zunächst kleinere und mittelständische Unternehmen wie Handwerksbetriebe, Kanzleien oder Arztpraxen, aber auch dort sind Transparenztools hilfreich, wenn man zum Beispiel per Alarm auf ungewöhnliche Verbrauchsspitzen oder Anomalien am Wochenende hingewiesen wird."

Möglich, dass auch solche Dienste bald für Privatkunden interessant werden: In einer Bitkom-Umfrage wünschte sich jeder Zweite einen besseren Überblick über seinen Stromverbrauch und die Kosten, davon würden 55 Prozent auch gern den Verbrauch einzelner Geräte ausgewiesen bekommen, um heimliche Stromfresser ausfindig zu machen. Denn so viel ist klar: Gaz und Leccy sind es nicht, die die Rechnung in die Höhe treiben.

Text: Christiane Waas (gekürzte Fassung)


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