Steigender Nitratgehalt belastet Grundwasser

Durch die intensive landwirtschaftliche Nutzung in Deutschland sind die Nitratkonzentrationen im Grundwasser regional deutlich angestiegen. Viele Wasserversorger bekommen die Auswirkungen dieses schlechten Zustands bereits zu spüren. Für die Sicherstellung der Trinkwasserversorgung werden kostenintensive Maßnahmen der Wasserwerke notwendig. Wir brauchen dringend eine Novelle der Düngeverordnung, die ihren Namen tatsächlich verdient, sagt Jörg Simon. Streitfragen hat mit dem BDEW-Vizepräsidenten Wasser/Abwasser geredet.

Streitfragen: Sie sprechen von einer andauernden politischen Blockade gegen die neue Düngeverordnung. Wer hat denn Interesse an einer Verzögerungstaktik – und warum? Simon: Ganz klar sind das die großen Agrarbetriebe, die über eine starke Lobby verfügen. Warum? Weil die Gülle-Verklappung auf den Feldern aus deren Sicht am billigsten ist.

Wie bewerten Sie den aktuell vorliegenden Entwurf? Wo sehen Sie Verbesserungspotenzial? Der Entwurf ist aus unserer Sicht mangelhaft. Vor allem zwei Dinge fehlen: Eine Hoftorbilanz, also Regelungen für die Ermittlung des Anfalls und der Verwendung des Stickstoffs pro Agrarbetrieb. Und wir brauchen auch eine bundesweit einheitliche Klärung, was genau in nitratgefährdeten Gebieten getan werden soll und dies bereits ab einem Wert von 25 mg Nitrat pro Liter Wasser wie es die EU fordert und nicht erst ab 40 mg, wie es bisher im Entwurf der Novellen für das deutsche Dünge-Gesetz nebst seiner Verordnung steht.

Ist die Trinkwasserqualität hierzulande wirklich in Gefahr? Oder ist die Wiederentdeckung des Themas Nitratbelastung eher eine Folge besserer Analysemethoden? Wenn das Wort „hierzulande“ mit großen Flächenländern mit viel Landwirtschaft in großen Einheiten übersetzt wird – Niedersachsen etwa – dann sehe ich die heute sehr hohe Trinkwasserqualität in jedem Falle gefährdet. Und wir entdecken das Thema Nitrat keinesfalls wieder, wir sprechen es heute nur zunehmend lauter an, weil sich die im Grundwasser nachgewiesenen Mengen stetig erhöhen und niemand an die Ursachen dafür geht. Nitrat ließ sich im Übrigen schon immer messen. Den Wasserunternehmen ist es bisher gelungen, über das Mischen von Wässern oder auch den Bau neuer Brunnen die Qualität des Trinkwassers zu halten. Das wird nun mancherorts zunehmend schwerer.

Sie fordern die Agrarwende: Düngestopp (falls der Grenzwert von 50 mg pro Liter nicht eingehalten wird), Förderung der ökologischen Landwirtschaft. Wie soll das gehen?

Die Energiewende könnte dafür Vorbild sein. Für ein Agrarwende-Instrumentarium gibt es vonseiten der Umweltverbände und aus dem politischen Raum genug Vorschläge. Wir als BDEW stehen da nicht in der ersten Reihe, sind wohl aber dafür, Schaden vom guten deutschen Wasser abzuwenden und dafür, den Finger in die Wunde zu legen

Nicht jeder Landwirt wird einverstanden sein mit Ihren Plänen. Wie wollen Sie die Agrarindustrie überzeugen? Ich glaube, dass das Überzeugen mit reinen Argumenten in diesem Falle leider nicht fruchten wird. Denn wir Wasserwirtschaftler machen seit langem auf die Missstände aufmerksam, die sich mit fortschreitender Konzentration bei den Agrarbetrieben immer weiter verschärfen. Unser Problem sind ja nicht die bäuerlichen Familienbetriebe, die seit Generationen nachhaltiges Wirtschaften im Blut haben. Unser Problem sind die Großbetriebe, die faktisch Agrarkonzernen gleichen. Und deshalb braucht es klare gesetzliche Vorgaben.

Weniger industrielle, mehr ökologische Landwirtschaft. Klingt gut, bedeutet aber am Ende höhere Preise für die Verbraucher. Wie wollen Sie da Rückhalt bekommen? Diese Zuordnung passt so aus mehreren Dimensionen nicht. Angenommen, das kaum reglementierte Verklappen von Gülle würde so geregelt wie im übrigen nicht nur wir, sondern auch die EU es fordern, dann unterstellen Sie einen leichten Anstieg der Agrar-Erzeugerkosten. Das halte ich für verschmerzbar, denn die Alternative wäre ja ein Anstieg der Wasserpreise, wenn wir dann das Problem End-of-Pipe weit weg vom Verursacher reparieren müssen. Außerdem liegen zwischen Erzeuger- und Produktpreisen im Laden Wertschöpfungs-Welten. Und: Wasser braucht jeder immer. Bei Agrarprodukten stimmt das global, aber nicht speziell. Hier kann ich nach Geschmack, Herkunft, Verträglichkeit, Preis oder anderen Kriterien wählen. Und mit dem Thema Massentierhaltung – in Brandenburg gerade Gegenstand eines Volksentscheids – ist das Thema Nitrat letztlich auch aus anderer Perspektive in der Diskussion. Der Rückhalt wächst mit zunehmender Information.

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