Der Arzneimittelmarkt in Deutschland ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsen. Die Gewässerressourcen sind immer stärker vom Eintrag zahlreicher sogenannter anthropogen verursachter Spurenstoffe betroffen. Dazu gehören auch Arzneimittelrückstände. Worum es sich bei Spurenstoffen handelt, lesen Sie hier.
Aufgrund des demografischen Wandels und eines wachsenden Pro-Kopf-Verbrauchs geht eine Studie von Civity im Auftrag des BDEW von einem rapiden Anstieg des Arzneimittelverbrauchs in Deutschland aus.
Gesamtverbrauch an Humanarzneimitteln steigt bis 2045 um rund 70 Prozent
Laut Prognose des BDEW wird sich der Humanarzneimittelverbrauch in Deutschland bis 2045 im progressiven Szenario um bis zu 70 Prozent erhöhen und damit die Umwelt und die Wasserwirtschaft vor gewaltige Herausforderungen stellen. Selbst in einem konservativen Szenario rechnet Civity mit einer Steigerung um 40 Prozent gegenüber heute. Ohne Gegenmaßnahmen wird daher auch der Eintrag von Arzneimittelrückständen in den Wasserkreislauf deutlich zunehmen.
Die Studie prognostiziert Bandbreiten des Arzneimittelverbrauchs in Deutschland bis zum Jahr 2045. Sie nennt Herausforderungen für die aquatische Umwelt und zeigt Gegenmaßnahmen aus Perspektive der Verbraucher, der Wasserwirtschaft und der Arzneimittelindustrie auf. Die Prognose des Arzneimittelverbrauchs basiert auf einer nach Altersklassen und Geschlecht unterschiedenen Bevölkerungsvorausberechnung sowie alters- und geschlechtsspezifischen Arzneimittelverbrauch bzw. Verbrauchsprognosen.
Ältere Bevölkerungsgruppen dominieren Medikamentenverbrauch
Obwohl die Gesamtbevölkerung ab 2021 schrumpft, ist
altersbedingt von einem kontinuierlichen Wachstum an Arzneimitteln auszugehen. Ältere
Altersgruppen verbrauchen überdurchschnittlich viele Arzneimittel: Während 20-
bis unter 25-Jährige 80 Tagesdosen pro Jahr einnehmen, verbrauchen 80- bis
84-Jährige mit 1.669 Tagesdosen pro Kopf jährlich in etwa das 20-fache.
Der heutige Anteil der über 60-Jährigen an der Gesamtbevölkerung wird bis 2045 von heute 27 Prozent auf 36 Prozent ansteigen. Die demographische Entwicklung und der altersbedingte Mehrverbrauch sind wesentliche Treiber für den enorm wachsenden Arzneimittelkonsum. Stehen über 60- Jährige heute für 64 Prozent des Verbrauchs, werden sie 2045 bereits 71 Prozent der gesamten Medikamentenmenge konsumieren. Selbst bei konservativer Wachstumsprognose durchbricht das Arzneimittelwachstum bis zum Jahr 2045 die 40-Prozent-Marke. Allerdings ist auch bei jüngeren Altersgruppen ein rapider Pro-Kopf-Anstieg im Verbrauch zu erwarten.
Auswirkungen auf die aquatische Umwelt
Arzneimittel gelangen über viele Wege in die aquatische Umwelt. Während Veterinärarzneimittel überwiegend diffus in Gewässer eingetragen werden, erreichen Humanarzneimittel durch menschliche Ausscheidung oder unsachgemäße Entsorgung über die Toilette oder den Ausguss direkt die kommunalen Abwässer.
Ganzheitlicher Ansatz vonnöten
Es braucht daher einen ganzheitlichen Ansatz aller Akteure entlang der Verbrauchskette von Medikamenten, um Arzneimitteleinträge in die aquatische Umwelt zu vermeiden. In erster Linie sind Hersteller dafür verantwortlich, Einträge in die Gewässer zu vermeiden oder zu reduzieren und dafür die Kosten zu tragen. Aber auch für Arztpraxen und Apotheker bis zum Verbraucher gilt es, Arzneimitteleinträge zum Wohle der Umwelt zu vermeiden und dafür geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Dazu zählt etwa die Wiedereinführung eines flächendeckenden Rücknahmesystems durch Apotheken und die sachgemäße Entsorgung alter Medikamente. Wie Sie Medikamente richtig entsorgen, erfahren Sie hier.
Einzelstudien zu den Umweltrisiken von Arzneimittelrückständen belegen auch die schädlichen Folgen erhöhter Wirkstoffkonzentrationen bestimmter Arzneimittel auf die Gesundheit einzelner Tierarten. Obwohl für das menschliche Trinkwasser aktuell keine Gefahr besteht, sollte die steigende Medikamentenmenge Anlass sein, den Wasserlebensraum und die Rohwasserressourcen zu schützen. Angesichts des zukünftigen rapiden Wachstums stehen wir erst am Anfang des Problems.
Quelle: Civity-Studie (2017)