Gastbeitrag von Prof. Dr.-Ing. Norbert Jardin
Angesichts regional stark erhöhter Nitratgehalte im Grundwasser flackerte jüngst die Diskussion auf, ob die Nitratentfernung im Trinkwasserwerk nicht ein geeigneter Weg wäre, die Trinkwasserqualität langfristig zu sichern. Aber nur kurz: Richtigerweise hat inzwischen auch die Politik erkannt, dass eine nachhaltige, im Sinne der Verbraucher angemessene Strategie nur ein konsequentes Umsteuern in der Landwirtschaft ist. Tatsächlich muss der Eintrag von Gülle und Garresten in den Wasserkreislauf bereits an der Quelle verringert werden – eigentlich sollte dies ein Lehrbeispiel für die Umsetzung des Verursacherprinzips sein.
Im Bereich der Abwasserreinigung erleben wir seit Jahren ein anderes Diskussionsschema. Bei neu in Oberflächengewässern gefundenen Stoffen werden nur selten die notwendigen Fragen gestellt: Ist dieser Stoff problematisch und wenn ja, für wen? Und in welchen Konzentrationen? Woher kommt dieser Stoff? Muss dessen Eintrag in die Gewässer verhindert oder reduziert werden? Und schließlich: Welche Maßnahmen wären geeignet und kosteneffizient? Meist wird vorschnell nach einer Aufrüstung der kommunalen Kläranlagen gerufen.
Wann hätte man dieses Schema besser beobachten können als bei der jüngsten Diskussion über Antibiotikaresistenzen in Oberflächengewässern? Selbst wissenschaftliche Einrichtungen des Bundes forderten da eine vierte Reinigungsstufe auf Kläranlagen – obwohl deren klassische Verfahren wie die Aktivkohleadsorption oder die Ozonung Antibiotikaresistenzen im Kläranlagenablauf nicht nennenswert vermindern können.
Das Verursacherprinzip kommt zu kurz
Wir brauchen einen ideologiebefreiten und undogmatisch geführten Diskurs über Spurenstoffe im Wasserkreislauf. Tatsächlich ist die Debatte schon bei der Definition der Spurenstoffe verkürzt: Vielfach werden darunter lediglich Arzneistoffe, meist auch nur Humanpharmaka, verstanden, die zweifelsohne über Kläranlagen in die Gewässer eingetragen werden. Tatsächlich geht es dabei aber um einen viel größeren Kreis möglicherweise problematischer Stoffe: Haushalts- und Industriechemikalien, Pestizide, polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), Quecksilber, Mikroplastik, Nanopartikel und antibiotikaresistente Erreger. Eine umfassende Strategie muss sich des gesamten Stoffspektrums, der möglichen Eintragspfade und der gegebenenfalls erforderlichen Maßnahmen annehmen.
Bevor Deutschland für die flächendeckende Aufrüstung der Kläranlagen 37 Milliarden Euro in die Hand nimmt, wie eine vom BDEW beauftragte Studie errechnete, sollten wir über Notwendigkeit und Umfang von Maßnahmen sorgfältig nachdenken und dem Verursacherprinzip zu seinem Recht verhelfen.
Das Verursacherprinzip wirkt
Insbesondere bei nur punktuell eingesetzten Industriechemikalien kann über zielgerichtete Maßnahmen bei der Anwendung oder der Einleitung, die Substitution oder den völligen Verzicht ein effizienter Beitrag zum Gewässerschutz erreicht werden. Beim Thema Antibiotikaresistenzen zeigen Erfahrungen aus den Niederlanden und Frankreich, dass eine substanzielle Verringerung des Antibiotikaeinsatzes in der Tier- wie in der Humanmedizin ohne nennenswerte Einschränkungen möglich ist. Auch bei den Arzneimitteln und Diagnostika unterstreichen jüngst in Essen („Essen macht’s klar“) und in Mülheim („Merk’ Mal“) durchgeführte Forschungsprojekte, dass Maßnahmen an der Quelle wirken. Die positiven Beispiele schließen natürlich nicht aus, dass auch nachgeschaltete Maßnahmen einen Beitrag leisten können und unter bestimmten Bedingungen auch leisten müssen. Eins muss aber klar sein: Die Verursacher der Stoffeintrage müssen ihren finanziellen Beitrag dann leisten, wenn die Stoffanwendung unvermeidlich und es angezeigt ist, den Eintrag in den Wasserkreislauf zu reduzieren. Insofern bleibt zu hoffen, dass der vom Bundesumweltministerium begonnene Stakeholder-Dialog für eine „Spurenstoffstrategie des Bundes“ die Durchsetzung des Verursacherprinzips nachdrücklich einfordert.
Prof. Dr.-Ing. Norbert Jardin ist Technischer Vorstand des Ruhrverbands. Der Ruhrverband ist ein öffentlich-rechtlicher Wasserverband. Er sorgt mit über 800 wassertechnischen Anlagen für die Abwasserentsorgung von 60 Kommunen und zahlreichen Industrieunternehmen im Einzugsgebiet der Ruhr. Durch den Betrieb seiner Talsperren sichert er die Trinkwasserversorgung für 4,6 Millionen Menschen im Ruhrgebiet.
Hier finden Sie weitere Informationen sowie detaillierte Ergebnisse der BDEW-Studie zur 4. Reinigungsstufe in Kläranlagen.