Koalitionsverhandlungen
Angesichts der anstehenden Koalitionsverhandlungen im Bund müssen
wichtige Aspekte des Gewässerschutzes in die Vorhabenliste der neuen
Bundesregierung verankert werden, so Martin Weyand, Hauptgeschäftsführer
Wasser/Abwasser des BDEW. Hierfür hatte BDEW bereits ein Positionspapier
vorgelegt. Auch sollte geprüft werden, ob die Bundesressorts zukünftig
nicht verpflichtet werden, Gesetzesvorhaben dem Umweltbundesamt zur
Prüfung vorlegen zu müssen, sofern wasserwirtschaftliche Fragen tangiert
sind.
Dr. Wolfgang Scheremet, Abteilungsleiter im
Bundeswirtschaftsministerium betonte die Herausforderungen für die
Branche: Spurenstoffe, Digitalisierung sowie die Finanzierung der
Infrastruktur. Für den Zeitraum nach der Bundestagswahl kündigte er
einen Runden Tisch an, um das "Henne-Ei-Problem" bei dem Recycling des
Phosphats aus der Klärschlammasche zu lösen. Angesichts der steigenden
Anforderungen in der IT-Sicherheit mahnte er die Unternehmen, in "Köpfe"
zu investieren. In der Diskussion sagte Scheremet, dass angesichts der
Arzneimittelspuren im Rohwasser, die ansteigen werden, dort anzusetzen
sei, wo die größte Wirkung erzielt werden kann. Die gesamte Kette von
der Herstellung bis zur Anwendung sei zu betrachten.
Arzneimittelspuren im Rohwasser
Eine neue Studie im Auftrag des BDEW zeigt deutlich: die Arzneimittelspuren im Rohwasser werden stark ansteigen. Grund ist u. a. die zunehmende alternde Bevölkerung in Deutschland. Angesichts dessen fordert der BDEW:
- bei den Arzneimittelherstellern die Entwicklung von zielgenaueren und biologisch abbaubaren Arzneimitteln,
- Entsorgungshinweise auf Arzneimittelverpackungen,
- auf der Ebene der Zulassung und Überwachung eine Berücksichtigung der Umweltverträglichkeit als Zulassungskriterium bei Medikamenten sowie eine restriktive Handhabung der Rezeptfreigabe,
- bei Ärzten und Apothekern eine nachhaltige Verschreibungspraxis (passgenaue Packungsgrößen) sowie die Wiedereinführung eines flächendeckenden Rücknahmesystems für Altmedikamente in Apotheken,
- auf der Ebene der Verbraucher eine sachgerechte Entsorgung über den Haus- oder Sondermüll sowie ein verantwortungsbewusstes Maß der Selbstmedikation.
Der Vertreter des Umweltministeriums Baden-Württembergs, Peter Fuhrmann, sieht u. a. die Kläranlagen als signifikanten Eintragspfad, aber auch die Vorsorge sollte gestärkt werden. Er könne sich eine Auskunftspflicht der Kläranlagenbetreiber für alle Stoffe vorstellen sowie eine Veränderung der Abwasserabgabe. Dr. Jörg Wagner, Bundesumweltministerium, wies auf die Forderungen der Bundesländer nach einer Erhöhung der Abwasserabgabe hin sowie darauf, alternative Finanzierungsmöglichkeiten zu suchen.
Der Stakeholder-Dialog für eine Spurenstoffstrategie des Bundes soll bis zum Herbst 2018 fortgeführt werden, so Wagner. Der Auftakt für den zweiten Teil des Stakeholder-Forums sei Ende dieses Jahres vorgesehen. Es sei nicht zielführend, nur End-of-Pipe-Technologien zu diskutieren. Um in den großen Kläranlagen die vierte Reinigungsstufe einzuführen, sei ein Investitionsprogramm von zehn Milliarden Euro erforderlich. Mit einer vierten Reinigungsstufe allein könne die Spurenstoffproblematik in Deutschland - und insbesondere in den ländlichen Regionen - jedoch nicht behoben werden. Das Thema sei sehr komplex. Nach den Vorstellungen Wagners soll das Stakeholder-Forum die relevanten Stoffe festlegen. Zudem sollen zusammen mit den Herstellern Maßnahmen der Herstellerverantwortung erarbeitet, für die Verbraucher Kommunikations- und Bildungsmaßnahmen über eine Kampagne angesetzt werden. Mit den Ländern sollen Orientierungsrahmen zur Abwasserbehandlung in Kläranlagen bearbeitet werden und Finanzierungs- und Forschungsfragen diskutiert werden.
In der nachfolgenden Diskussion hob die Vertreterin des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller, Dr. Gesine Bejeuhr, hervor, dass es schwierig sein werde, das Verursacherprinzip bei Arzneimitteln festzulegen und gerichtsfest anzuwenden.
Nitrat und Landwirtschaft, anderes Konsumverhalten
Nach einem außergewöhnlichen Blick auf das Nitrat-Thema diskutierten Dr.
Rupert Ebner, Slow Food Deutschland, Dr. Friedhelm von Mering, Bund
Ökologische Lebensmittelwirtschaft und Billy Wagner, Inhaber des
Restaurants Nobelhart & Schmutzig über eine mögliche Agrarwende und
ein anderes Konsumverhalten in Deutschland. Dr. von Mering stellte
heraus, dass es in vielen Regionen Deutschlands nicht möglich sei,
Ökolandbau zu lernen und dass Züchten teuer sei. Dr. Ebner hob hervor,
dass man durch das eigene Konsumverhalten etwas ändern könne. In
Kopenhagen würden in öffentlichen Gebäuden zu 90 Prozent biologisch
angebaute Lebensmittel angeboten. In Berlin hätten sich einige
Restaurants auf eine Küche spezialisiert, die fast ausschließlich
regionale Produkte verarbeiten.
Nachhaltige Finanzierung der Wasserwirtschaft
Der Bankenmarkt in Deutschland habe sich aufgrund der Diversifizierung
verändert, so Dr. Hans-Georg Napp von der Landesbank Hessen-Thüringen.
Heute sei die Liquiditätsausstattung der Wasserver- und
Abwasserentsorger für die Banken viel wichtiger als früher. Herr
Wolfgang Müller, Stadtwerke Saarlouis legte an einem realen Beispiel
dar, wie es kommen konnte, dass ein Wasserversorger auf einmal keinen
Kredit mehr bekam, da die Cash-Flow-Betrachtung stärker ins Blickfeld
gerückt sei. In der nachfolgenden Diskussion wies Herr Marc Elxnat vom
Städte- und Gemeindebund darauf hin, dass die politischen Akteure in
einer Gemeinde durchaus auf das Thema ansprechbar wären, wenn man deren
Sprache spreche. Sebastian Freier, PricewaterhouseCoopers verwies auf
eine aktuelle Stadtwerkestudie, wonach 25 bis 30 Prozent der Stadtwerke
Finanzierungsprobleme hätten.
Digitalisierung
Dass die Digitalisierung Chancen und Vorteile für die Wasserwirtschaft
bringe, waren sich alle Referenten einig. Ob es um smarte Wasserzähler
geht, digitales Messwesen oder die Digitalisierung als Mittel für mehr
Effizienz – die Palette der Möglichkeiten ist groß. Auf der Tagung
wurden exemplarisch einige Möglichkeiten vorgestellt.
"Daten sind
das neue Wasser", so Prof. Wolfgang Henseler, Sensory-Minds, der den
Teilnehmer/innen einen Blick über den Tellerrand in Denken und
Vorgehensweise der großen Digitalkonzerne eröffnete.
Die
Arbeitswelt in den Unternehmen und die Anforderungen an Qualifikationen
werden sich ändern, so die einhellige Bewertung. Sobald digitale
Neuerungen einen Nutzen für die Wasserver- und Abwasserentsorger haben,
würden diese auch angewendet, so die Einschätzung in der Diskussion. Die
Chancen lägen vor allem in verbesserten Beziehungen zu den Kunden.
Verbraucherkommunikation im Wandel
Die Wasserver- und Abwasserentsorgungsunternehmen kommen bei ihren Kunden gut an, dies zeigt das neue Kundenbarometer,
das der BDEW regelmäßig durchführen lässt. Joachim Meier,
Geschäftsführer WVW Wasserver- und Energieversorgung St. Wendel, stellte
einige Ergebnisse vor und legte dar, dass die Unternehmen sich weiter
anstrengen sollten, aktiv(er) mit ihren Kunden zu kommunizieren. Susanne
Fittkau, Fittkau & Maaß Consulting führte aus, wie sich die
Generationen in ihren Nutzungsverhalten der Medien unterscheiden. Dies
sollten die Unternehmen der Wasserwirtschaft beachten und
zielgruppenorientiert kommunizieren. Auch Assistenzprogramme, die viele
Standardanfragen beantworten können, können den Unternehmen eine
Entlastung bringen, so Alexander Hickl von KPMG. In der nachfolgenden
Diskussion stellte Fittkau heraus, dass Wasser ein "low interest
Produkt" sei. Es gehe darum, den Kunden zu fragen, was er wolle, wenn
man die Kommunikation verbessern möchte.